Verkündet am 28.01.2003
VERWALTUNGSGERICHT DES SAARLANDES
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Richters am Amtsgericht …, ….
Klägers, gegen
das Ministerium der Justiz, Zähringer Straße 12, 66119 Saarbrücken,
Beklagten,
wegen Feststellung (Zahl der erforderlichen Richter am Amtsgericht Merzig)
hat die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht …, die Richter am Verwaltungsgericht … und … sowie die ehrenamtlichen Richter … und … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2003
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenen Kosten- schuld abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger steht als Richter am Amtsgericht im Justizdienst des Saarlandes und bearbeitet beim Amtsgericht Merzig Zivil- und Ordnungswidrigkeitssachen.
Mit am 22.1.2002 eingegangener Klage beantragt er die Feststellung, dass das Amtsgericht Merzig nicht mit der Zahl der erforderlichen Richter ausgestattet sei. Zur Begründung trägt er vor, das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass er durch ständige Dienstaufsichtsbeschwerden verunsichert werde, zudem aus gesundheitlichen Gründen, da sich durch den ständigen Überdruck eine Hypertonie entwickelt habe. Im Weiteren müsse er mit Schuldzuweisungen des Beklagten rechnen, da er hoffnungslos überlastet sei. Ausgehend von einem Amtsrichter-Pensum von 530 Zivilsachen {= 100 %) sei er im Jahre 2001 mit 124,8% und im Jahr 2002, wie sich aus einer Hochrechnung des ersten Quartals ergebe, mit 125% belastet gewesen. Mit seinen Erledigungen in Zivil- und Bußgeldsachen widme er sich überobligationsmäßig seinem Beruf. Die saarländischen Amtsgerichte seien nicht gleichmäßig {über-)belastet. Während die Richter beim Amtsgericht Merzig durchschnittlich mit 125,5% belastet seien, liege das Durchschnittspensum beim Amtsgericht St. Ingbert bei 97 %, beim Amtsgericht St. Wendel bei 113,3 %, beim Amtsgericht Saarbrücken bei 125 % und beim Amtsgericht Lebach sogar bei 130,8 %. Die Durchschnittsbelastung aller saarländischen Amtsgerichte und des Landgerichts Saarbrücken liege bei 116,65 %. Der Beklagte müsse einen festen Maßstab bei der Zuteilung richterlicher Arbeitskraft an die Amtsgerichte festlegen. Er müsse angeben, welche Zahl von Richtern für das Amtsgericht Merzig objektiv erforderlich sei.
Ohne einen solchen objektiven Maßstab sei der Willkür Tür und Tor geöffnet, wobei Beachtung finden müsse, dass 7 Richterstellen im Ministerium durch Referententätigkeit gebunden und den Gerichten entzogen seien. Dabei müsse im Weiteren berücksichtigt werden, dass in Folge der zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Schuldrechts- und Zivilprozessreform eine Steigerung der Belastung des erstinstanzlichen Zivilrichters zu erwarten sei.
Der Kläger beantragt, festzustellen, dass das Amtsgericht Merzig nicht mit der Zahl der erforderlichen Richter/innen ausgestattet ist.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung habe. Ein solches Interesse könne allenfalls für die beim Amtsgericht Merzig beschäftigten Richter in ihrer Gesamtheit bestehen, der Kläger trete aber nicht als deren (bevollmächtigter) Vertreter auf.
Der Kläger sei auch nicht hoffnungslos überlastet. Bei Anwendung der bundeseinheitlichen Bewertungszahl von 570 in Zivilsachen (bzw. der im Saarland zu Grunde gelegten Bewertungszahl von 530 in Zivilsachen) sei der Kläger im Jahr 2000 (hochgerechnet vom 2. Halbjahr) mit 112 % (bzw. 117 %), im Jahr 2001 mit 115 % (bzw. 119 %) und im Jahr 2002 (hochgerechnet vom 1. Vierteljahr) mit 111% (bzw. 116 %) belastet gewesen. Damit liege der Kläger nicht nur deutlich unter der durchschnittlichen Belastung des Amtsgerichts Merzig insgesamt, die bei Anwendung der Bewertungszahl 570 für Zivilsachen im Jahr 2001 bei 125,5% gelegen habe. Der Kläger liege auch deutlich unter der durchschnittlichen Belastung der saarländischen Amtsgerichte in 2000/2001, die bei Anwendung der Bewertungszah1570 bei 122,6 % gelegen habe. BerÜcksichtige man zudem, dass die Zahl der vom Kläger erledigten Zivilprozessverfahren im Jahre 2001 deutlich hinter den Erledigungen sämtlicher anderer Zivilrichter beim Amtsgericht Merzig zurückgeblieben sei, werde deutlich, dass der subjektive Eindruck des Klägers, er sei überlastet, einer objektiven Grundlage entbehre.
Darüber hinaus sei auch in der Sache unrichtig, dass das Amtsgericht Merzig nicht mit der Zahl der erforderlichen Richter ausgestattet sei. Das Amtsgericht Merzig sei derzeit mit 8,5 Richterplanstellen ausgestattet. Nach den Geschäftszahlen 2001 ergebe sich bei Anwendung der Bewertungszahl 570 für Zivilsachen beim Amtsgericht Merzig eine durchschnittliche Belastung von 125,5 %. Eine unzureichende Besetzung mit Richterplanstellen ergebe sich hieraus nicht. Im Übrigen sei der Pensenschlüssel lediglich ein verwaltungsinternes Instrument zur Berechnung des gesamten Richterbedarfs auf Landesebene, dem in erster Linie haushaltsrechtliche Bedeutung zukomme und der daneben eine möglichst gleichmäßige Justizversorgung der Bevölkerung sowie eine gleichmäßige Verteilung der Arbeitslast auf die zur Verfügung stehenden Richter ermöglichen solle. Eine verbindliche Aussage über das normale Arbeitspensum eines Richters enthalte der Pensenschlüssel nicht. Auch könne eine nennenswerte Benachteiligung des Amtsgerichts Merzig gegenüber den übrigen Amtsgerichten im Saarland bei der Stellenverteilung nicht festgestellt werden. Dies ergebe sich schon daraus, dass zwei saarländische Amtsgerichte (von insgesamt 10) nach der Personalbedarfsberechnung für 2001 höher und die übrigen Amtsgerichte – mit Ausnahme eines Falles – in etwa gleich stark wie das Amtsgericht Merzig belastet seien. Der Umstand, dass Richter an das Ministerium der Justiz abgeordnet seien, die während ihrer Abordnungszeit auf Planstellen des Ministeriums geführt würden, habe mit der Zahl der dem Amtsgericht Merzig bewilligten Richterplanstellen nichts zu tun. In welchem Umfange die Amtsgerichte personell auszustatten seien, damit sie ihre Aufgaben erfüllen könnten, obliege allein der Einschätzung des Dienstherrn. Ein einzelner Richter habe keinen Anspruch darauf, dass dem Gericht, dem er angehört, mehr Richter zugeteilt würden. Die vom Kläger noch erwähnte Änderung der ZPO betreffe alle Zivilrichter gleichermaßen.
Im Übrigen lasse sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehen, ob die angeführten Gesetzesänderungen tatsächlich zu einer nennenswerten Mehrbelastung führen würden.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung, dass das Amtsgericht Merzig nicht mit der Zahl der erforderlichen Richter/innen ausgestattet ist. Ein derartiges Recht steht dem Kläger nicht zu.
Die Ausstattung der Gerichte mit Richtern fällt in den Bereich der Justizhoheit und der einschlägigen Organisationsgewalt des Landes. Diese unterliegt zwar aufgrund der im Rechtsstaatsprinzip verankerten und durch einzelne Verfassungsvorschriften (insbesondere Art. 19 Abs. 4 GG) begründeten Justizgewährungspflicht erheblichen Einschränkungen, die auch in einfachrechtlichen Vorschriften – hier insbesondere des GVG – Ausdruck gefunden haben. So ist unter anderem anerkannt, dass der Staat im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen hat, die geeignet und erforderlich sind, einer Überlastung der Gerichte vorzubeugen, und dass er dort, wo sie eintritt, rechtzeitig Abhilfe zu schaffen hat, wozu insbesondere der Einsatz personeller Mittel gehört (vgl. u.a. BVerfGE 36, 264-275; BayVerfGH in NJW 1986, 1326). Es ist indes eindeutig, dass dieser das Organisationsermessen einschränkende Rechtskreis keineswegs eigene subjektive Rechte eines Richters in bezug auf die personelle Besetzung des Gerichts begründet, dem er angehört, also insoweit keinen Schutznormcharakter hat (vgl. den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss des OVG des Saarlandes vom 24.2.1992 -1 W 2/92-}. Damit ist der Kläger durch die allein an öffentlichen Interes- sen auszurichtende Entscheidung des Beklagten über die Anzahl der beim Amtsgericht Merzig zu verwendenden Richter nicht in seinen eigenen subjektiven Rechten berührt.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, dass er hoffnungslos überlastet sei. Dabei kann offen bleiben, ob diese Bewertung des Klägers objektiver Betrachtung Stand hält. Jedenfalls lässt der vom Kläger als Beleg seiner angeblichen Überlastung herangezogene Pensenschlüssel für Richter keine verbindliche Aussage über das normale Arbeitspensum eines Richters und damit über die Belastung des Richters zu, vielmehr ist der Pensenschlüssel nur ein verwaltungsinternes Instrument zur Berechnung des Richterbedarfs, welcher der möglichst gleichmäßigen Justizversorgung der Bevölkerung und einer möglichst gleichmäßigen Verteilung der Arbeitslast auf die zur Verfügung stehenden Richter dient (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 19.12.2001 -1 A 4816/00-}. Im Weiteren muss gesehen werden, dass für die Arbeitsbelastung nicht nur die Arbeitsmenge, sondern auch die zu ihrer Bewältigung zur Verfügung stehende Zeit von Bedeutung ist. Da Erledigungszeiträume nicht rechtsverbindlich festgelegt sind, kann der Richter einer Arbeitsüberlastung zulässigerweise dadurch begegnen, dass er für die Bearbeitung des ihm zugewiesenen Pensums Zeiträume wählt, die eine überlastung verhindern.
Den Richter trifft keineswegs die Pflicht, sämtliche ihm nach der Geschäftsverteilung zufallenden Angelegenheiten in vollem Umfang gewissermaßen ohne zeitliche Beschränkung seines Arbeitseinsatzes zu erledigen. Zwar hat er sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§§ 4 Abs. 1 SRiG, 68 SBG}. Was er in dieser Sicht unter Berücksichtigung der Nichtgeltung des beamtenrechtlichen Arbeitszeitrechtes an Arbeitszeit aufzuwenden hat, ist in Rechtsprechung und Schriftturn weitgehend geklärt: Seine Pflicht zur Arbeitsleistung ist zwar im Einzelnen, d.h. nach Tagen und Wochen gesehen, zeitlich nicht beschränkt, indes im Gesamtergebnis nur so zu erfüllen, dass die Arbeitsleistung im Gesamtergebnis pauschaliert derjenigen entspricht, die von einem Beamten gefordert ist (vgl. BVerwG in NJW 1983, 62,63; E 78, 211; NJW 1990, 849; Plog/Wiedow/Beck/Lernhöfer, BBG, Stand: Oktober 2002, § 72 Rdnr. 40).
Diejenigen Angelegenheiten, die er trotz einer so ausgerichteten Arbeitsleistung – nach pflichtgemäßer Auswahl unter sachlichen Gesichtspunkten – wegen einer erheblichen Überlastung nicht erledigen kann, kann er ohne Pflichtverletzung zurückstellen.
Allerdings wird er einen solchen, den Justizgewährungsanspruch der Rechtssuchenden berührenden Tatbestand, soweit er nicht -insbesondere aufgrund der einschlägigen Statistik- ohnehin bekannt ist, dem zuständigen Präsidium und/oder den Dienstaufsichtsstellen anzuzeigen haben. Entscheidend ist dann aber in der Sicht seiner eigenen richterlichen Rechtsstellung, dass er den in Rede stehenden Tatbestand nicht zu verantworten hat, wenn keine Abhilfe erfolgt (Grundgedanke der §§ 4 Abs. 1 SRiG, 70 Abs. 2 SBG). Vielmehr kommt die Nichtabhilfe bei einer von dem Richter berechtigt angezeigten, auch bei pflichtgemäßem Arbeitseinsatz nicht mehr zu bewältigenden Überlastung der dienstlichen Anordnung gleich, die nicht zu erledigenden Sachen zurückzustellen. Die Verantwortung trifft -je nach Lage der Gründe- das zuständige Präsidium, die Justizverwaltung oder den Haushaltsgesetzgeber (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24.2.1992 -1 W 2/92).
Daher kann der Kläger aus einer angeblichen Überlastung, sofern diese bestehen sollte, keine eigenen subjektiv öffentlichen Rechte für die begehrte Feststellung herleiten. Aus denselben Gründen führen auch seine Hinweise auf drohende Dienstaufsichtsbeschwerden, erwartete Schuldzuweisungen des Be- klagten oder seine gesundheitliche Belastung nicht weiter.
Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§§ 4 Abs. 1 SRiG, 94 SBG) vermittelt dem Kläger keinen hier erheblichen Anspruch. Allenfalls für Extremfälle, d.h. dann, wenn die Überlastung eines Richters ein Ausmaß hat, das für ihn zu gänzlich unzumutbaren Arbeitsbedingungen führt, lassen sich subjektive Abhilfeansprüche des Richters in Betracht ziehen (Vgl. BayVerfGH in NJW 1986, 1326 ff) Eine derartige Ausnahmesituation ist aber beim Kläger selbst unter Zugrundelegung der von ihm angeführten Belastungszahlen ersichtlich nicht gegeben.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.