Die Antragstellerin, eine muslimische Schülerin der 10. Klasse, begehrte, den Schulleiter durch einstÂweiÂliÂge Anordnung zu verpflichten, sie von der Teilnahme an einer Klassenfahrt zu beÂfreiÂen, weil, wie sie unter Vorlage eines Gutachtens eines islamischen Zentrums vortrug, ihr GlauÂbe ihr verbiete, ohne Begleitung eines “Mahram”, eines nahen männlichen Verwandten, an eiÂner Klassenfahrt mit Ãbernachtung auÃerhalb des Elternhauses teilzunehmen.
Das OVG sah keine Notwendigkeit zum Erlass der einstweiligen Anordnung, weil die AnÂtragÂstelÂleÂrin wegen Erkrankung i. S. d. § 9 Abs. 1 ASchO NRW an der Teilnahme an der KlasÂsenÂfahrt gehindert sei.
Aus den Gründen:
Die Antragstellerin benötigt keine Befreiung nach § 11 Abs. 1 ASchO NRW im Hinblick auf die beÂvorÂsteÂhenÂde Klassenfahrt und folglich auch nicht den Erlass der beantragten einstweiligen AnÂordÂnung. Sie hat ein sehr eindrückliches Bild der Beschränkungen und Zwänge, denen sie insbeÂsonÂdeÂre als Mädchen mit ihren religiösen Vorstellungen unterworfen ist, und der Ängste, die sich für sie daraus mit Blick auf zu erwartende Situationen bei einer Klassenfahrt ergeben, geÂzeichÂnet. In ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 11.1.2002 führt sie aus: Sie sei gläubige MusÂliÂmin und versuche weitgehend, ihr Leben nach ihrer Religion auszurichten. Klassenfahrten beÂschränkÂten sie wesentlich darin, ihr Leben so zu gestalten, wie es ihr Glaube von ihr verÂlanÂge. Die Antragstellerin verweist auf
– ihre ständige Furcht, auf Klassenfahrten könne in ihrem Essen Schweinefleisch sein, das sie aus religiösen Gründen nicht esse,
– ihre Furcht, die fünf notwendigen täglichen Waschungen und Gebete nicht vornehmen zu könÂnen,
– ihre psychische Belastung bei Nichteinhaltung der Regeln,
– ihre Furcht, ihre Mitschülerinnen könnten sie seltsam finden, wenn sie so dusche, wie es ihr GlauÂbe ihr allein ermögliche,
– ihre Furcht, sich sogar vor ihren Mitschülerinnen unbekleidet zeigen zu müssen,
– ihre Furcht, ihr Kopftuch zu verlieren,
– ihre ständige Hektik in Sorge darum, nie ohne Kopftuch zu sein.
Auch wenn die Antragstellerin ausdrücklich betont, sie fühle sich “durch die Religion gar nicht unÂterÂdrückt”, so sind doch ihre Ängste, die sie artikuliert, religiös bedingt. Sie hat insgesamt Angst, in die angeführten Situationen zu kommen und ohne einen “Mahram” – wie Vater, GroÃÂvaÂter, Bruder oder Onkel – über Nacht zu verreisen, also auch an der Klassenfahrt teilnehmen zu müssen. Nach der eidesstattlichen Versicherung ist überwiegend wahrscheinlich, dass die AnÂtragÂstelÂleÂrin von den gesehenen Zwängen und den Ängsten so geprägt ist, dass sie ohne eiÂne nach ihren maÃgeblichen religiösen Vorstellungen geeignete Begleitperson nicht an der KlasÂsenÂfahrt teilnehmen kann. Diese durch Zwänge und Ängste gekennzeichnete Situation bei der Klassenfahrt ist der bereits Krankheitswert besitzenden Situation einer partiell psychisch BeÂhinÂderÂten vergleichbar, die behinderungsbedingt nur mit einer Begleitperson reisen kann. Es spricht Ãberwiegendes dafür, dass die geschilderten Zwänge und Ängste auch bei der AnÂtragÂstelÂleÂrin bereits Krankheitswert erreichen, so dass sie i.S. v. § 9 Abs. 1 ASchO NRW begründet verhindert ist, an der Klassenfahrt teilzunehmen.