Vorschriften: UniG NW § 19 Abs 2 S 3
Leitsatz der Redaktion:
Die zivilrechtliche oder öffentlichrechtliche Natur eines
Hausverbots bestimmt sich nach der Rechtsnatur des
beabsichtigten bestimmungsgemäßen Gebrauchs einer Einrichtung
durch den vom Hausverbot Betroffenen.
Tatbestand:
Der Antragsteller ist Student und Doktorand an der Universität, deren Rektor gegen den Antragsteller wegen sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen ein Hausverbot unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verhängt hat. Im Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Handlungen war der Antragsteller darüber hinaus wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen das Hausverbot hatte in zweiter Instanz keinen Erfolg.
Gründe:
Die Beschwerde gegen den angegriffenen Beschluß war zuzulassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieses Beschlusses bestehen (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). DerAntragsgegner hat diesen Zulassungsgrund in seinem Zulassungsantrag auch ordnungsgemäßgerügt (§ 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO).
Die Beschwerde ist auch im übrigen zulässig und sie ist außerdem begründet. Das VG hat dem Antrag zu Unrecht stattgegeben. Zwar ist das VG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß der Antragsteller vorliegend einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO beanspruchen kann. Denn das hier zu beurteilende Hausverbot ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen und in der Form eines Verwaltungsaktes ergangen. Das mit der vorliegend streitgegenständlichen Maßnahmeverfügte – auf § 19 Abs. 2 Satz 3 Universitätsgesetz (UG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.8.1993, GV NW, S. 532, gestützte -Hausverbot ist öffentlich-rechtlicher Natur. Für die Frage, ob ein derartiges Hausverbot dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen ist, ist mangels eines öffentlichrechtlichen Sonderrechts maßgeblich darauf abzustellen, welche Rechtsnormen die Rechtsbeziehungen der Beteiligten und damit das Hausverbot prägen. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.3.1970 – VII C 80.67 -, BVerwGE 35, 103, 106; Beschluß vom 10.7.1986 7 B27.86 -, NVwZ 1987, 677; BGH, Urteil vom 6.6.1967 – VI ZR 214/65 -, DVBI. 1968, 145, 146; VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 31.5.1994 – 9 S 1126/94 -, NJW 1994, 2500 f. ; OVG NW, Beschlüsse vom 4.1.1995 – 25 E 1298/94 -, NJW 1995, 1273, und vom 31.10.1996 – 25 B 2078/96)
Davon ausgehend ist das Hausverbot dem öffentlichen Recht zuzuordnen. In einer Situation, in der allein das Verbot der Verhaltensweisen, die zu dem Hausverbot geführt haben, nicht möglich oder nicht hinreichend erfolgversprechend ist, wird mit dem Hausverbot auch der bestimmungsgemäße Gebrauch einer öffentlichen Einrichtung ganz oder teilweise untersagt. Deshalb ist – jedenfalls dann, wenn der Gebrauch der Einrichtung nicht ausschließlich außerhalb ihrer Zweckbestimmung erfolgt, was hier offensichtlich nicht der Fall ist, weil der Antragsteller bei den ihm zur Lastgelegten Verhaltensweisen die Hochschule auch in seiner Eigenschaft als Doktorand und Student an der Hochschule benutzt, – in der Sache zu prüfen, durch welche Rechtsnormen der bestimmungsgemäße Gebrauch der Einrichtung durch den von dem Hausverbot Betroffenengeregelt ist. Der bestimmungsgemäße Gebrauch der Einrichtungen einer Hochschule durch einen Studenten und Doktoranden ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Der Antragsteller hat grundsätzlich als Student und Doktorand und mithin als Hochschulangehöriger (§ 11 Abs. 1 Nr. 11bzw. § 11 Abs. 4 UG) einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Benutzung der Universität mit der Folge, daß diesem Anspruch nur durch ein öffentlich-rechtlich ausgestaltetes Benutzungsverbot(Hausverbot) wirksam begegnet werden kann. (Vgl. ebenso Ehlers in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 1997, § 40 Rn. 301; Ehlers, DÖV 1977, 737(739); Ronellenfitsch, VerwArch 73, 1982, 465, 472).
Ein allein zivilrechtliches – letztlich auf Eigentums- und Besitzrechte gestütztes – Verbot würde hierzu kurz greifen. Daß auch der Antragsteller das ausgesprochene Hausverbot in erster Linie auf seinen bestimmungsgemäßen Gebrauch der Hochschule bezogen versteht, wird durch seine Einlassung deutlich, daß er die Erstellung seiner Dissertation und die Durchführung des Promotionsverfahrens jedenfalls was den zeitnahen Abschluß angeht – gefährdet sieht. Die gesamte Argumentation des Antragstellers zielt darauf ab, daß er sich als Student und Doktorand an der Hochschule und nicht nur als schlichter Besucher von der Benutzung der Hochschuleinrichtungen ausgeschlossen fühlt. Soweit das VG für seine Auffassung, daß es sich vorliegend um ein zivilrechtlich zu qualifizierendes Hausverbot handele, das Senatsurteil vom 4.3.1997 – 25 A 2112/96 – herangezogen hat, hatte jenes Urteil gerade einen Fall zum Gegenstand, in dem jemand, der nicht Mitglied der Universität war, den Universitätsbetrieb störte, wobei zum einen eine Nutzung der Einrichtung lediglich außerhalb ihrer Zweckbestimmung erfolgte und zum anderen auch der bestimmungsgemäße Gebrauch der Einrichtung als zivilrechtliches Besucherverhältnis zu qualifizieren gewesen wäre. In jenem Fall bestanden mithin keine öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten und der bestimmungsgemäße Gebrauch war in keiner Weise durch öffentlich-rechtliche Normen geprägt. Demgemäß wurde dort von dem privatrechtlichen Hausrecht Gebrauch gemacht. Im Gegensatz dazu erfolgte hier eine Nutzung auch im Zusammenhang mit dem Studenten- und Doktorandenstatus des Antragstellersund deshalb im Rahmen des bestimmungsgemäßen öffentlich-rechtlichen Gebrauchs. Soweit das VG darauf abstellt, daß die behaupteten Verhaltensweisen des Antragstellers nicht im Zusammenhang mit seinem Doktorandenverhältnis gestanden hätten, kommt es darauf nicht maßgeblich an, denn jedenfalls sind die behaupteten Verhaltensweisen anläßlich des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Einrichtung erfolgt; daß der Antragsteller sich darüber hinaus auch noch in einem zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis zu der Universität befand und daß die ihm zur Last gelegten Verhaltensweisen zu einem großen Teil auch im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses erfolgten, rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn jenes Arbeitsverhältnis bestand im Zeitpunkt des Erlasses des Hausverbotes nicht mehr.
Für die zivilrechtliche Natur des Hausverbotes spricht auch nicht der Umstand, daß es sich gleichsam als Ersatz für einen Teil der arbeitsrechtlichen Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellte. Zwar trifft es zu, daß es in der Sache die arbeitsrechtliche Maßnahme ablöste und ebenso wie diese dem Schutz der Mitarbeiterinnen zu dienen bestimmt war; allerdings ist es – wie sich auch aus seiner Beschränkung ergibt -, im Gegensatz zu der arbeitsrechtlichen Abmahnung speziell auf die zwischen den Beteiligten bestehendenöffentlich-rechtlichen Beziehungen ausgerichtet. Soweit das VG den öffentlich-rechtlichen Charakter des streitgegenständlichen Hausverbotes mit dem Argument verneint hat, daß der Antragsgegner mit diesem gerade nicht auf das öffentlich-rechtliche Doktorandenverhältnis habe durchgreifen wollen, was sich daran zeige, daß Beschränkungen eingeführt worden seien, die dem Antragsteller die Durchführung des Promotionsverfahrens erlaubten, überzeugt dies nicht. Vielmehr zeigt gerade die besondere Form der inhaltlichen Beschränkung des Hausverbots und der Umstand, daß der Versuch unternommen wurde, eine Form zu finden, die dem Antragsteller die Durchführung der Promotion ermöglichen soll, daß der besonderen öffentlichrechtlichen Prägung des Rechtsverhältnisses Rechnung getragen wurde. Eine Spaltung des Hausverbotes in einen Teil, der den Antragsteller gleichsam als nicht Universitätsangehörigen sieht, und in einen anderen Teil, der dem Status des Antragstellers Rechnung trägt, ist nicht möglich. Denn auch Inhalt und Grenzen eines Hausverbotes werden maßgeblich durch die besonderen Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten bestimmt. Im übrigen hätte die vom VG angestellte Betrachtung zur Folge, daß inderartigen Konstellationen jedes öffentlich-rechtliche Hausverbot, das deshalb recht- und verhältnismäßig ist, weil es durch inhaltliche Beschränkungen den besonderen öffentlich-rechtlichen Beziehungen Rechnung trägt, als zivilrechtlich qualifiziert würde.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung des Antragsgegners ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Die mit dem Widerspruch angegriffene Verfügung, deren Vollziehungsanordnung der Antragsgegnerhinreichend begründet hat (§ 80 Abs. 3 VwGO), ist jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig und die weitere Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus.
Das streitgegenständliche Hausverbot ist nicht offensichtlich rechtswidrig. Wie soeben dargelegt, ist es dem öffentlichen Recht zuzuordnen, so daß der Antragsgegner nicht gehindert war, sich bei dessen Erlaß der Form des Verwaltungsaktes zu bedienen. Auch andere Gründe, die eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Hausverbotes bedingen könnten, liegen nicht vor. Die streitgegenständliche Maßnahme verstößt nicht offensichtlich gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Ferner ist das Hausverbot auch in der Sache nicht offensichtlich rechtswidrig. Denn die vorhandenen Aussagen mehrerer Zeuginnen erscheinen nicht von vornherein unglaubhaft (wird ausgeführt).
Schließlich ist die streitgegenständliche Maßnahme auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil sie offensichtlich unverhältnismäßig wäre. Das Hausverbot ist erforderlich, weil nichtersichtlich ist, daß eine andere Maßnahme den Schutz der von den sexuellen Belästigungen des Antragstellers betroffenen Frau(en) ebenso wirksam gewährleisten könnte. Das Hausverbot ist verhältnismäßig, weil es dem berechtigten Anliegen des Antragstellers hinreichend Rechnung trägt(wird ausgeführt).
Auch der Umstand, daß die Maßnahme zeitlich nicht befristet worden ist, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Dabei kann unentschieden bleiben, ob mit diesem Argument überhaupt die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung in Zweifel gezogen werden kann oder ob nicht insoweit gegebenenfalls eine Befristung erstritten werden müßte. Denn jedenfalls rechtfertigt dies nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches, weil das Hausverbot mit Rücksicht auf die es rechtfertigenden Vorgänge jedenfalls derzeit noch erforderlich erscheint.
Die bei nicht festgestellter offensichtlicher Rechtmäßigkeit oder offensichtlicher Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung durchzuführende weitere Interessenabwägung geht vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus. Die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe sind von nicht unerheblichem Gewicht und lassen die Wirksamkeit der Maßnahme in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang notwendig erscheinen. Dies gilt auch insbesondere deshalb, weil die Universität als Arbeitgeber der mutmaßlich belästigten Frauen gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (Art. 10 des Gesetzes zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern vom 24.6.1994, BGBl. 1, 1406) verpflichtet ist, die Frauen an ihrem Arbeitsplatz effektiv vor sexuellen Belästigungen zu schützen. Wenn dies nicht allein durch arbeitsrechtliche Maßnahmen wirksam geschehen kann, weil der Arbeitsplatz auch von Nichtbeschäftigten betreten werden kann, muß gegebenenfalls in der Folge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Hausverbot verhängt werden. Es ist hier auch davon auszugehen, daß die Maßnahme nur wirksam ist, wenn sie unmittelbar in Kraft tritt (…).