Hess. StaatsGH: Kommunale Grundrechtsklage des Magistrats der Stadt Gießen gegen die Neuregelung des Hessischen Schulgesetzes als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen

Staatsgerichtshof des Landes Hessen

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Verfahren

über die kommunale Grundrechtsklage

der Universitätsstadt Gießen, vertreten durch den Magistrat, Berliner Platz 1, 35390 Gießen,

Antragstellerin,

– Verfahrensbevollmächtigter: … -,

an dem sich beteiligt haben:

1. die Hessische Landesregierung, vertreten durch den Hessischen Ministerpräsidenten, Staatskanzlei, Bierstadter Straße 2, 65189 Wiesbaden,

2. der Landesanwalt beim Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Mühlgasse 2, 65183 Wiesbaden,

hat der Staatsgerichtshof des Landes Hessen

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2001

durch

– Mitglieder des Staatsgerichtshofs –

für Recht erkannt:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Gründe: A I. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer am 1. August 2000 eingegangenen Grundrechtsklage gegen Neuregelungen in § 23 Abs. 7 Sätze 2 bis 4, § 26 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 129 Nr. 3 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG) i.d.F. des Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Qualitätssicherung in hessischen Schulen vom 30. Juni 1999 (GVBl. I S. 354). Die geänderten Bestimmungen traten nach Art. 3 § 3 des Gesetzes am 1. August 1999 in Kraft. Die Antragstellerin sieht sich in ihrem Recht der kommunalen Selbstverwaltung verletzt und rügt darüber hinaus die Verletzung des Demokratieprinzips und des Grundsatzes des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts.

Die geänderten Vorschriften lauten wie folgt:

§ 23 Haupt- und Realschule … (7) Haupt- und Realschulen, die miteinander verbunden sind, können in den Jahrgangsstufen 5 und 6 mit einer Förderstufe beginnen. Aufgrund eines Beschlusses der Schulkonferenz, der mit der Mehrheit von mindestens zwei Dritteln ihrer Mitglieder zu fassen ist, kann die Förderstufe durch eine schulformbezogene Organisation der Jahrgangsstufen 5 und 6 ersetzt werden. Auf Grundlage eines solchen Beschlusses kann dem Schulträger gegenüber kein räumlicher Mehrbedarf geltend gemacht werden. Der Beschluss bedarf der Genehmigung durch das Staatliche Schulamt.

§ 26 Schulformbezogene (kooperative) Gesamtschule … (2) Die schulformbezogene (kooperative) Gesamtschule kann in den Jahrgangsstufen 5 und 6 mit einer Förderstufe beginnen. Aufgrund eines Beschlusses der Schulkonferenz, der mit der Mehrheit von mindestens zwei Dritteln ihrer Mitglieder zu fassen ist, kann die Förderstufe durch eine schulformbezogene Organisation der Jahrgangsstufen 5 und 6 ersetzt oder ergänzt werden. § 23 Abs. 7 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. …

§ 129 Entscheidungsrechte Die Schulkonferenz entscheidet über … 3. die Ersetzung der Förderstufe an verbundenen Haupt- und Realschulen (§ 23 Abs. 7) sowie ihre Ersetzung oder Ergänzung an schulformbezogenen Gesamtschulen durch eine schulformbezogene Organisation der Jahrgangsstufen 5 und 6 (§ 26 Abs. 2) …

In der Universitätsstadt Gießen bestehen u.a. fünf kooperative Gesamtschulen. An zwei dieser Schulen, der Herder- und der Landgraf-Ludwig-Schule, beschloss die jeweilige Schulkonferenz im August 1999, die Förderstufen durch schulformbezogene Jahrgangsstufen 5 und 6 zu ersetzen. Diese Beschlüsse wurden von dem zuständigen Staatlichen Schulamt genehmigt. Hiergegen legte die Antragstellerin jeweils Widerspruch ein und erwirkte zwei Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Gießen vom 17. August 1999 (3 G 2459/99 und 3 G 2460/99), mit denen jeweils die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche wiederhergestellt wurde. Ferner wurde das Land Hessen verpflichtet, sämtliche Maßnahmen zur Ersetzung der Förderstufe durch eine schulformbezogene Organisation der Jahrgangsstufen 5 und 6 an beiden Schulen wieder rückgängig zu machen. Gegen inhaltsgleiche Beschlüsse dieser Schulen vom 24. und 25. November 1999 und gegen deren Genehmigung durch das Staatliche Schulamt vom 11. Februar 2000 legte die Antragstellerin erneut Widersprüche ein. Diese wies das Staatliche Schulamt mit Bescheiden vom 13. November 2000 zurück. Die Ersetzung der Förderstufe durch schulformbezogene Klassen 5 und 6 vollzogen beide Schulen mit Beginn des Schuljahres 2000/01. Die Antragstellerin nahm hiergegen keinen verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch.

Die Grundrechtsklage wurde aufgrund des Beschlusses des Magistrats der Antragstellerin vom 24. Juli 2000, mit dem zugleich der Prozessführungsauftrag an den Bevollmächtigten erteilt wurde, ohne vorherige Beschlussfassung durch die Stadtverordnetenversammlung erhoben.

Am 8. August 2000 stellte die FWG-Fraktion für die nächste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung mit näherer Begründung den folgenden Antrag:

„Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Stadtverordneten der Stadt Gießen distanzieren sich von der angestrengten Verfassungsbeschwerde der Stadt Gießen vor dem Hess. Staatsgerichtshof gegen das novellierte Hessische Schulgesetz. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Gießen fordert den Magistrat auf, den Willen der Eltern und Schüler der Stadt Gießen auf Lockerung des Förderstufenzwangs der Stadt Gießen zu respektieren und die Verfassungsbeschwerde zurückzuziehen.„

In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 7. September 2000 wurde dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Einem Antrag der CDU-Fraktion vom 18. November 2000,

„die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen, der Magistrat wird aufgefordert, umgehend die beim Staatsgerichtshof eingereichte Verfassungsklage der Stadt Gießen gegen das novellierte hessische Schulgesetz zurückzuziehen„,

stimmte die Stadtverordnetenversammlung am 15. Februar 2001 mehrheitlich zu. Mit Schreiben vom 23. Februar 2001 an den Stadtverordnetenvorsteher legte der Oberbürgermeister Widerspruch gegen diesen Beschluss ein. Der Beschluss verletze das Recht. Die Stadt sei nach § 92 Abs. 2 der Hessischen Gemeindeordnung – HGO – verpflichtet, sparsam und wirtschaftlich zu haushalten. Für die Klage seien Kosten angefallen. Durch die Klagerücknahme würde ausgeschlossen, dass diese Investition einen Ertrag erbringe. Im Übrigen gefährde der Beschluss das Wohl der Stadt. Durch die durch die Verfassungsbeschwerde angegriffene Vorschrift werde die Stadt in ihrer Funktion als Schulträger in ihrem Selbstverwaltungsrecht beeinträchtigt. Auf die Begründung der Verfassungsbeschwerde werde Bezug genommen.

II. Die Antragstellerin führt an, sie sei als hessische Gemeinde im Verfahren nach § 46 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof – StGHG – gemäß dieser Vorschrift und nach § 19 Abs. 2 Nr. 10 StGHG antragsberechtigt. Bedenken dagegen bestünden auch nicht angesichts der fehlenden Bezeichnung der Gemeinden als Antragsteller in Art. 131 Abs. 2 HV, denn diese Aufzählung sei ersichtlich nicht abschließend für diejenigen Verfahren, die über die in Art. 131 Abs. 1 HV ausdrücklich genannten Verfahrensarten hinaus in der Verfassung oder durch Gesetz (§ 46 StGHG) dem Staatsgerichtshof zugewiesen seien. Ihre Antragsbefugnis folge daraus, dass sie selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffenen Normen des Schulgesetzes in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht verletzt werde.

Die Verletzung der ihr garantierten Selbstverwaltung geschehe durch die Verlagerung eines Teils der mit der Förderstufe im Zusammenhang stehenden und bisher ihr selbst als Schulträger zukommenden Organisationskompetenzen auf die Schulkonferenz. Mit den angegriffenen Regelungen gehe eine grundlegend veränderte Zuordnung der Kompetenz zur Entscheidung über die Ersetzung einer einmal eingerichteten Förderstufe zugunsten einer schulformbezogenen Organisation der Jahrgangsstufen 5 und 6 an verbundenen Haupt- und Realschulen und kooperativen Gesamtschulen einher. Der Schulträger sei an der nun der Schulkonferenz zugeordneten Entscheidung weder im Verfahren noch materiell zu beteiligen.

Neben einem Verstoß gegen die Gewährleistung in Art. 137 Abs. 3 HV durch die Verlagerung der Regelungskompetenz über die Ersetzung der Förderstufe beinhalte das neu gestaltete Schulgesetz auch eine Verletzung der Garantie der Verwaltungsallzuständigkeit in Art. 137 Abs. 1 Satz 1 HV. Es gebe kein dringendes Bedürfnis, durch Verlagerung der Verwaltungsaufgabe im Zusammenhang mit der Ersetzung der Förderstufe auf die Schulkonferenz einer kommunalen Schule eine quasi sonderbehördliche Verwaltungskompetenz zu schaffen.

Durch die neugestaltete Entscheidungsbefugnis ergäben sich spürbare Auswirkungen auf die Schulstruktur des Schulträgers. In ihrem Falle werde die gesamte Schullandschaft verändert und schließlich die ihrem Selbstverwaltungsrecht unterfallende Schulentwicklungsplanung konterkariert. Das Gesetz in der neuen Fassung könne auch zu nicht mehr kalkulierbaren finanziellen Mehrbelastungen der Kommunen führen, die durch staatliche Finanzzuweisungen aufgrund des Finanzausgleichsgesetzes nicht ausgeglichen würden. Dies greife in die kommunale Finanzhoheit ein. Dem wirke § 23 Abs. 7 Satz 3 HSchG nicht ausreichend entgegen, da kostenträchtige Folgewirkungen nicht erfasst würden.

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass § 23 Abs. 7 Sätze 2 bis 4, § 26 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 129 Nr. 3 des Hessischen Schulgesetzes in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Qualitätssicherung in hessischen Schulen vom 30. Juni 1999 mit Art. 137 Abs. 1 und 3 der Hessischen Verfassung unvereinbar und nichtig sind.

III. Die Landesregierung hält die Grundrechtsklage für unbegründet.

Der Antrag sei als kommunale Grundrechtsklage nach § 46 StGHG zulässig. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 46 StGHG bestünden nicht, dessen tatbestandliche Voraussetzungen seien erfüllt.

§ 23 Abs. 7 Sätze 2 bis 4, § 26 Abs. 2 Sätze 2 und 3 und § 129 Nr. 3 des Hessischen Schulgesetzes verletzten nicht das den Gemeinden in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 HV gewährleistete Recht der Selbstverwaltung. Gemäß Art. 56 Abs. 1 Satz 2 HV sei das Schulwesen Sache des Staates. Diesem komme daher im schulischen Bereich ein umfassendes Gestaltungs- und Bestimmungsrecht zu, das die Reichweite der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Bereich des Schulwesens einschränke.

IV.Der Landesanwalt hat in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass er die Grundrechtsklage für unzulässig halte. Die Grundrechtsklage hätte der Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung bedurft. Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof werde instrumentalisiert in einem Konflikt zwischen Stadtverordnetenversammlung und Magistrat.

Die Grundrechtsklage sei auch unbegründet. Die Entscheidungen über die Einrichtung und Ersetzung der Förderstufe könnten nach ihrem Inhalt nicht zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung, der vor staatlichen Eingriffen geschützt sei, gerechnet werden. Die Förderstufe erfülle nach ihrer gesetzlichen Charakterisierung im Schulgesetz nach der Neufassung durch das Erste Gesetz zur Qualitätssicherung in hessischen Schulen die Funktion eines pädagogisch legitimierten Gestaltungsmerkmals der inneren Unterrichtsorganisation, über deren Einführung oder Ersetzung zu entscheiden allein Sache des Staates sei.

V. Der Präsident des Hessischen Landtags hat mitgeteilt, eine Stellungnahme sei nicht beabsichtigt.

B I. Die vom Magistrat der Antragstellerin ohne Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung erhobene kommunale Grundrechtsklage ist unzulässig, weil sie sich als rechtsmissbräuchlich erweist.

§ 9 Abs. 1 HGO bestimmt, dass die Gemeindevertretung (in Städten Stadtverordnetenversammlung) das oberste Organ einer Gemeinde ist. In § 9 Abs. 1 Sätze 2, 3 HGO ist geregelt, dass die Stadtverordnetenversammlung die wichtigen Entscheidungen trifft und die gesamte Verwaltung überwacht. Demgegenüber besorgt der Gemeindevorstand (in Städten Magistrat) die laufende Verwaltung (§ 9 Abs. 2 Satz 1 HGO). Zur laufenden Verwaltung gehören alle diejenigen Geschäfte, die mehr oder weniger gleichförmig in regelmäßiger Wiederkehr vorkommen und sachlich von weniger erheblicher Bedeutung sind. Der Kreis der Geschäfte der laufenden Verwaltung lässt sich nicht zahlenmäßig oder katalogmäßig umschreiben. Mehr oder weniger erhebliche Abweichungen ergeben sich zwangsläufig aus der Natur der Sache nicht nur nach der Größe, Finanzkraft oder Bedeutung der beteiligten Gemeinden, sondern auch aus dem Wechsel der Zeitumstände (vgl. Schneider/Dreßler/Lüll, Hessische Gemeindeordnung, Kommentar, Stand: 14. Lieferung, Februar 1999, Erl. 1 zu § 66).

Dieser besonderen Bedeutung der Stadtverordnetenversammlung als des von den Bürgern gewählten obersten Organs der Stadt Rechnung tragend regelt § 51 HGO einen Katalog wichtiger kommunaler Aufgaben unter Begründung einer ausschließlichen Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung, die diese Aufgaben nicht übertragen kann. Hierunter fällt nach § 51 Nr. 18 HGO auch die Entscheidung über die Führung eines Rechtsstreits von größerer Bedeutung. Eine kommunale Grundrechtsklage vor dem Staatsgerichtshof, mit der Bestimmungen eines Landesgesetzes als verfassungswidrig angegriffen werden, stellt schon grundsätzlich einen Rechtsstreit von größerer Bedeutung dar. Das erhebliche Gewicht, welches die Antragstellerin dem vorliegenden Rechtsstreit beimisst, kommt überdies darin zum Ausdruck, dass die angegriffenen Normen ihres Erachtens eine erhebliche Veränderung ihrer gesamten Schullandschaft zur Folge haben. Der Magistrat der Antragstellerin war ohne Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zu der Erhebung der Grundrechtsklage daher nicht befugt, sondern handelte gesetzwidrig.

Die seitens des Magistrats der Antragstellerin veranlasste Klageerhebung ist durch die Stadtverordnetenversammlung auch nicht nachträglich dadurch genehmigt worden, dass der Antrag der FWG-Fraktion vom 8. August 2000 in der Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich abgelehnt wurde.

Dieser Antrag ging dahin, dass sich die Stadtverordneten von der angestrengten „Verfassungsbeschwerde„ der Stadt Gießen vor dem Hessischen Staatsgerichtshof gegen das novellierte Hessische Schulgesetz distanzieren und den Magistrat auffordern sollten, die „Verfassungsbeschwerde„ zurückzuziehen. Eine Genehmigung der vom Magistrat erhobenen kommunalen Grundrechtsklage durch die Stadtverordnetenversammlung lässt sich dem Beschluss über einen so formulierten Antrag und damit auch dessen mehrheitlicher Ablehnung nicht entnehmen. Der der Stadtverordnetenversammlung vorbehaltene Beschluss, dass ein Rechtsstreit von größerer Bedeutung geführt werden soll, muss klar und eindeutig gefasst werden. Das ist bei der Ablehnung eines Antrags auf Zurückziehung einer Klage nicht der Fall, zumal die Ablehnung – wie auch hier – auf die konkrete Formulierung des Antrags oder seine spezifische Begründung zurückzuführen sein kann.

Mit ihrem Beschluss vom 15. Februar 2001 forderte die Stadtverordnetenversammlung den Magistrat sogar ausdrücklich auf, die beim Staatsgerichtshof eingereichte Klage der Stadt Gießen gegen das Schulgesetz zurückzuziehen. Damit brachte sie unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie die Klage nicht zu genehmigen gewillt ist. Trotzdem hat der Magistrat die von ihm gesetzwidrig erhobene Grundrechtsklage aufrechterhalten.

Der Magistrat der Antragstellerin kann sich über die fehlende Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung nicht auf Grund der ihm nach der Hessischen Gemeindeordnung zustehenden Außenvertretungskompetenz hinwegsetzen.

Zwar vertritt der Magistrat gemäß § 71 HGO die Stadt nach außen. Diese Außenvertretungskompetenz des Magistrats besteht grundsätzlich unabhängig von der innergemeindlichen Willensbildung, so dass der Magistrat prinzipiell auch bei Überschreitung seiner Kompetenzen wie im Falle des Fehlens der nach § 51 HGO gemeindeverfassungsrechtlich erforderlichen Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung wirksam für die Stadt handelt (vgl. Bennemann, in: Kommunalverfassungsrecht Hessen, Hessische Gemeindeordnung, Kommentar, Stand: 4. Nachlieferung Dezember 2000, § 51 Rdnr. 52; Wiegelmann, Handbuch des hessischen Kommunalverfassungsrechts, Band I, 1988, S. 331).

Doch hat der Magistrat der Antragstellerin bewusst und gewollt die ausschließliche Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung gemäß § 51 Nr. 18 HGO unterlaufen und sich gleichsam „verselbständigt„. Er handelt rechtsmissbräuchlich, weil er entgegen dem ausdrücklich erklärten Willen der Stadtverordnetenversammlung der Antragstellerin die Grundrechtsklage aufrechterhält und nicht zurücknimmt. Dadurch versucht er als vertretungsberechtigtes Organ, seine von dem zur Entscheidung berufenen Gremium abweichende Rechtsauffassung durchzusetzen. Die Grundrechtsklage ist ohne den nach § 51 Nr. 18 HGO erforderlichen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung erhoben und später auch nicht genehmigt worden, obwohl dem Magistrat der Antragstellerin seit dem 9. Juni 1999 die verfassungsrechtliche Problematik bekannt war, wie sich der Vorlage zum Magistratsbeschluss vom 18. Juli 2000 entnehmen lässt. Selbst wenn der Magistrat vor seiner Entscheidung über die Erhebung der Grundrechtsklage noch ein Rechtsgutachten erstellen lassen wollte, so hätte er einen entsprechenden Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zur Klageerhebung nach der Sommerpause 2000 noch herbeiführen können, wozu der Magistrat verpflichtet gewesen wäre. Dies unterblieb, ohne dass Gründe hierfür erkennbar sind. Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 15. Februar 2001 verpflichtete den Magistrat zur Rücknahme der Grundrechtsklage, die er nie legitimiert war zu erheben. Damit liegt erstmals eine eindeutige Willensäußerung der Stadtverordnetenversammlung zur Grundrechtsklage vor, die keinen Zweifel daran lässt, dass die Klage gerade nicht weitergeführt werden soll. Der Magistrat handelt deshalb rechtsmissbräuchlich, wenn er diesen zweifelsfrei erkennbaren Willen missachtet, indem er die Klage aufrechterhält. Sie ist deshalb unzulässig. Darauf, dass der Oberbürgermeister der Antragstellerin dem Beschluss widersprochen hat, kommt es unter diesen Umständen nicht an. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs verschafft dem Magistrat der Antragstellerin nicht das Mandat, die Klage aufrechtzuerhalten.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 28 StGHG.