BVerwG: Parkuhr als modifiziertes Halteverbot

BVerwG

Beschluß vom 26.01.88

7 B 189.87

StVO § 13, 43, 45; VwGO § 80 II Nr. 2

Leitsätze:

Das durch Parkuhr gekennzeichnete modifizierte Haltverbot enthält zugleich das – sofort vollziehbare – Gebot, ein dort abgestelltes Kraftfahrzeug alsbald wegzufahren, wenn die Voraussetzungen für ein erlaubtes Handeln nicht (mehr) gegeben sind, und kann somit Grundlage für das Abschleppen des Fahrzeugs im Wege der Ersatzvornahme sein (im Anschluß an BVerwG, NJW 1978, 656).

Tatbestand:

Der Kl. wandte sich gegen die Heranziehung zu Kosten für das Abschleppen eines PKWs. Er hatte das Fahrzeug an einer Parkuhr, ohne diese zu betätigen, 29 Stunden lang abgestellt, davon 15 Stunden während der Geltungsdauer der Parkzeitregelung. Die in erster Instanz erfolgreiche Klage wurde vom BerGer. abgewiesen. Die Beschwerde, mit der der Kl. die Zulassung der Revision erstrebte, hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Sache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 II Nr. 1 VwGO).

Die Beschwerde hält die – vom BerGer. bejahte – Frage für klärungsbedürftig, ob das von einer abgelaufenen bzw. nicht betätigten Parkuhr ausgehende Haltverbot (§ 13 I, III StVO) zugleich auch das Gebot enthalte, das Fahrzeug alsbald wegzufahren. Zur Klärung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens; sie ist auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des beschließenden Senats ohne weiteres in dem vom BerGer. für richtig gehaltenen Sinn zu beantworten.

Das BerGer. vertritt in Anwendung irrevisiblen Landesrechts die Ansicht, daß das hessische Polizeirecht das Rechtsinstitut der “unmittelbaren Ausführung” einer polizeilichen Maßnahme nicht kennt und deshalb das Zwangsmittel des Abschleppens eines verkehrswidrig abgestellten Fahrzeugs nur als Ersatzvornahme rechtlich zugelassen ist (zu dieser Rechtsprechung vgl. VGH Kassel, NVwZ 1987, 904 und 910). Dies setze den Erlaß einer vollstreckbaren polizeilichen Grundverfügung voraus, die die Entfernung des Fahrzeugs gebietet. Die Parkuhr spreche als Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung ein eingeschränktes Haltverbot aus, das ebenso wie im Fall eines durch Vorschriftzeichen (§ 41 I StVO) angeordneten Haltverbots mit dem Gebot verbunden sei, bei verbotswidrigem Halten oder nach Ablauf der zulässigen Parkzeit alsbald wegzufahren. Dieses Gebot sei in entsprechender Anwendung von § 80 Il Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar.

Diese Auffassung entspricht der gefestigten Rechtsprechung des beschließenden Senats. Die Parkuhr als Verkehrseinrichtung (§ 43 I StVO) begründet ein modifiziertes Haltverbot des Inhalts, daß entsprechend der Regelung des § 13 StVO nur zum Ein- oder Aussteigen, zum Be- oder Entladen oder während des Laufens der Uhr gehalten werden darf, wie der Senat mehrfach ausgesprochen hat (vgl. BVerwGE 58, 326 [328] = NJW 1980, 850 sowie zu § 16 Ill StVO 1956 das Urt. v. 20. 6. 1969, BVerwGE 32, 204 [206] = NJW 1969, 1684; ebenso BGH, NJW 1983, 1071; vgl. ferner BVerfG, NJW 1965, 2395). Diese durch Verkehrseinrichtung ergangene Anordnung trifft eine Regelung des Verkehrs i. S. von § 45 I und IV Halbs. 1 StVO und ist damit ein Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung (vgl. grundlegend BVerwGE 27, 181 = NJW 1967, 1627). Insofern besteht kein Unterschied zu den Halteverboten, die durch Vorschriftzeichen gern. § 41 StVO angeordnet werden,

Die von der Beschwerde angeführte gegenteilige Auffassung des OVG Hamburg (Urt. v. 22.4.1982 – Bf. 117/82, insoweit in DAR 1982, 306 nicht abgedruckt) überzeugt nicht. Nicht nur durch Verkehrszeichen (§ 39 StVO), sondern grundsätzlich auch durch das Anbringen von Verkehrseinrichtungen i. S. von § 43 I StVO können, wie schon der Wortlaut der §§ 43 II, 45 III 1 und IV Halbs. 1 StVO sowie speziell für Parkuhren des § 13 II 2 StVO deutlich macht, verkehrsregelnde Anordnungen getroffen werden, die, wenn die sonstigen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, Verwaltungsakte darstellen. So wie ein Haltverbot erst durch das Aufstellen etwa der Zeichen 283 oder 286 zu § 41 StVO wirksam wird, erlangt das in § 13 StVO geregelte modifizierte Haltverbot erst mit der Einrichtung der betreffenden Parkuhr Wirksamkeit. In beiden Fällen ergibt sich die Rechtsfolge des Haltverbots nicht, wie zum Beispiel bei den in § 12 I Nr. 1 bis 5 StVO geregelten Sachverhalten, unmittelbar aus einer Rechtsnorm, sondern daraus, daß auf der Grundlage der von der StVO allgemein ausgesprochenen Ermächtigung eine konkrete orts- und situationsbezogene Anordnung der Straßenverkehrsbehörde ergeht und durch Anbringen des Verkehrszeichens bzw. der Verkehrseinrichtung (vgl. § 45 III 1 StVO) gekennzeichnet wird. Es ist kein einleuchtender Grund für die nicht weiter begründete Annahme des OVG Hamburg erkennbar, daß anders als bei einem Haltverbotszeichen das Vorhandensein einer Parkuhr lediglich eine Tatbestandsvoraussetzung für ein sich unmittelbar aus der StVO ergebendes Haltverbot ist (vgl. auch Kottmann, DÖV 1983, 497 m. w. Nachw.).

Aus dieser Einordnung des durch Parkuhr angeordneten modifizierten Haltverbots folgt, daß mit dem Verbot zugleich das – in entsprechender Anwendung von § 80 II Nr. 2 VwGO sofort vollziehbare – Gebot verbunden ist, ein Fahrzeug alsbald wegzufahren, wenn die in § 13 StVO aufgestellten Voraussetzungen für das erlaubte Halten nicht (mehr) gegeben sind. Dies hat der Senat in seinem Beschluß vom 7.11.1977 (NJW 1978, 656; vgl. ferner Beschl. v. 15.6.1981, NJW 1982, 348) für ein durch Vorschriftzeichen gekennzeichnetes Haltverbot entschieden. Für das mit Hilfe einer Parkuhr angeordnete modifizierte Haltverbot kann nichts anderes gelten. Einen Bedarf an weiterer höchstrichterlicher Klärung zeigt die Beschwerde weder zu dieser Frage noch zu der Frage der Verhältnismäßigkeit des Abschleppens eines an abgelaufener oder nicht betätigter Parkuhr abgestellten PKWs auf.