BVerwG: Einbehaltung von Dienstbezügen

BVerwGE 28, 1

BVerwG, Urteil vom 28.09.67 – II C 37.67

Vorschriften:

LBG NW § 87 Abs. 2 (entspr. BBG § 87 Abs. 2); VerwaltungsvollstreckungsG NW (v. 23. 7. 57) (GV. NW S. 216): §§ 1, 6 (entspr. VwVG des Bundes §§ 1, 3)

Leitsätze:

„Der Dienstherr darf den Beamten zur Rückerstattung zuviel gezahlter Dienstbezüge nach nordrhein-westfälischem Recht durch Leistungsbescheid heranziehen. (Bestätigung und nähere Begründung der bisherigen Rechtsprechung.)”

Entscheidungsgründe:

I. Der Kläger war als Beamter auf Lebenszeit im Dienste des beklagten Landes zuletzt bei der Wasserschutzpolizeigruppe Recklinghausen eingesetzt. Er lebte seit dem Jahre 1951 von seiner Ehefrau getrennt. Diese war vom 12. März 1956 bis zum 31. Dezember 1957 bei der Bundeswehrverwaltung in Hannover und seit dem 2. Januar 1958 bei der Stadtverwaltung in Solingen beschäftigt. Da dies den Besoldungsstellen des Klägers nicht bekannt war, wendeten diese nicht die besoldungsrechtlichen Vorschriften an, die bei Beschäftigung des Ehegatten im öffentlichen Dienst eine Minderung des Wohnungsgeldzuschusses (Ortszuschlags) vorsehen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni 1954 [GV.NW S. 162] – LBesG – und § 16 Abs. 1 Satz 1 des Besoldungsanpassungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 1958 [GV.NW S. 149] – BesAG – ). Deshalb erhielt der Kläger überhöhten Wohnungsgeldzuschuß bzw. Ortszuschlag. Aufgrund einer im Jahre 1959 von dem Kläger abgegebenen „Erklärung (K und O)” stellte sich der Fehler heraus; er wurde berichtigt. Durch Bescheid vom 5. Juli 1960 forderte der Wasserschutzpolizeidirektor von Nordrhein-Westfalen den Kläger auf, den überhobenen Betrag von 1.336,50 DM zurückzuzahlen; er kündigte zugleich die Einbehaltung des Betrages von den Dienstbezügen in monatlichen Teilbeträgen von 100 DM an. Den Widerspruch des Kläger wies der Regierungspräsident in Düsseldorf durch Bescheid vom 9. Dezember 1960 zurück.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die auf Aufhebung der Bescheide vom 5. Juli 1960 und vom 9. Dezember 1960 gerichtete Klage durch Urteil vom 3. Oktober 1962 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 22. März 1963 unter teilweiser Änderung des im ersten Rechtszuge ergangenen Urteils die Bescheide vom 5. Juli 1960 und vom 9. Dezember 1960 insoweit aufgehoben, als sie die Rückzahlung der für die Zeit bis März 1959 überhobenen Bezüge anordneten,und im übrigen die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Begründung des Urteils lautet im wesentlichen wie folgt:

Der Rückforderungsbescheid vom 5. Juli 1960 sei nicht schon deshalb aufzuheben, weil er – wie die Berufung meine – ohne gesetzliche Ermächtigung ergangen sei. In der Rechtsprechung werde vielmehr nahezu einhellig angenommen, daß die einem Beamten zuviel gezahlten Bezüge durch einen Leistungsbescheid, d. h. durch einen anfechtbaren Verwaltungsakt, zurückgefordert werden könnten. Das Berufungsgericht habe dies in seinem Urteil vom 13. Januar 1961 – VI A 700/60 (DÖD 1962 S. 210) eingehend begründet und sehe keinen Anlaß, hiervon abzugehen. In der einschlägigen Rechtsprechung sei ferner dargelegt, daß Besoldungsmitteilungen keine Verwaltungsakte seien und daß die in § 98 Abs. 2 Satz 3 des Landesbeamtengesetzes in den Fassungen vom 15. Juni 1954 (GV.NW S. 237) und vom 1. Juni 1962 (GV.NW S. 272) – LBG – vorgesehene Billigkeitsentscheidung schon in der Gewährung der Möglichkeit von Teilzahlungen zu erblicken sei.

Unzweifelhaft habe der Kläger für die Zeit vom 1. April 1956 bis zum 31. Oktober 1959 einen zu hohen Wohnungsgeldzuschuß bzw. Ortszuschlag erhalten. Daß die darin liegende ungerechtfertigte Bereicherung weggefallen sei, sei ohne weiteres anzunehmen, weil die zuviel gezahlten Beträge weniger als 10 v. H. des Betrages ausmachten, der sich bei richtiger Berechnung ergebe, und weil ein so geringes Mehreinkommen erfahrungsgemäß für den täglichen Lebensbedarf mitverbraucht werde, ohne daß dabei die Grenzen eines angemessenen Lebenszuschnittes überschritten würden oder Ersparnisse oder andere Vermögensvorteile zurückblieben. Trotz Wegfalls der Bereicherung sei jedoch der Empfänger zur Rückzahlung verpflichtet, wenn er bei dem Empfang der Überzahlung den Mangel des Rechtsgrundes kannte oder wenn dieser Mangel so offensichtlich war, daß er ihn hätte erkennen müssen (§ 98 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 LBG in Verbindung mit §§ 819 Abs. 1 und 818 Abs. 4 BGB).

Daß der Kläger den Mangel des Rechtsgrundes gekannt habe, könne für die Zeit bis Oktober 1959 nicht festgestellt werden. Ebensowenig sei für die Zeit bis Ende März 1959 festzustellen, daß er die Überhöhung der ihm gezahlten Ortszuschläge wegen Offensichtlichkeit hätte erkennen müssen (wird näher dargelegt). Deshalb sei die Rückforderung der für die Zeit bis März 1959 geleisteten Überzahlungen ungerechtfertigt.

Berechtigt sei jedoch die Rückforderung der für die Zeit von April bis Oktober 1959 geleisteten Überzahlungen. Die Unrichtigkeit des Ortszuschlages sei mindestens am 3. März 1959 für den Kläger offensichtlich geworden. Er sei wie alle anderen Beamten der Wasserschutzpolizei aufgrund einer allgemeinen Bekanntmachung des Wasserschutzpolizeidirektors vom 2. März 1959 auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, eine Tätigkeit der Ehefrau im öffentlichen Dienst anzuzeigen. Ferner sei er im März 1959 durch die Aushändigung des auszufüllenden Vordrucks der „Erklärung (K und C)” – zu vgl. Abschnitt D – darauf aufmerksamgemacht worden, daß eine Beschäftigung der Ehefrau im öffentlichen Dienst besoldungsrechtliche Bedeutung haben konnte und deshalb anzugeben war. Der allgemeinen Bekanntmachung und dem am 3. März 1959 von ihm unterschriebenen Vordruck habe er unschwer entnehmen können, daß die Berechnung der Besoldung von einem Beschäftigungsverhältnis der Ehefrau im öffentlichen Dienst abhängig war; die Art dieser Abhängigkeit habe sich aus § 16 BesAG ergeben, auf den im Vordruck und in der Bekanntmachung ausdrücklich Bezug genommen worden sei. Wenn er sich nicht zutraute, die angegebenen gesetzlichen Vorschriften mit richtigem Verständnis zu lesen, so hätte er sich bei seinem Dienstvorgesetzten oder bei einer anderen geeigneten Stelle erkundigen müssen, was leicht möglich gewesen sei. Aufgrund einer Belehrung würde er die Notwendigkeit erkannt haben, den Verbleib und die Beschäftigung seiner Ehefrau zu ermitteln. Er habe dies im März 1959 unterlassen und die „Erklärung (K und 0)” ohne Ausfüllung des betreffenden Abschnitts D abgegeben. Deshalb habe ihm die Besoldungsstelle den Vordruck im Oktober 1959 erneut zugesandt. Darauf habe er den Verbleib seiner Ehefrau und ihre Beschäftigung im öffentlichen Dienst so bald festgestellt, daß der Ortszuschlag noch im selben Monat berichtigt worden sei. Diese Feststellungen hätte er bereits bis Ende März 1959 treffen können. Hiernach hätte er den Mangel des Rechtsgrundes der Überzahlungen spätestens Ende März erkennen müssen. Für die Zeit nach Ende März 1959 könne er sich mithin auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen, so daß insoweit seine Klage mit Recht abgewiesen worden sei.

Gegen die teilweise Zurückweisung seiner Berufung hat der Kläger die gemäß § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1. Juli 1957 (BGBl. I S. 667) – BRRG – zugelassene Revision eingelegt mit dem Antrag,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils und des Urteils erster Instanz den Rückforderungsbescheid vom 5. Juli 1960 In der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1960 in voller Höhe aufzuheben.

Die Revision greift das angefochtene Urteil ausschließlich mit der Darlegung ihrer Ansicht an, daß die Verwaltung in Fällen der vorliegenden Art ihren Rückzahlungsanspruch nicht durch Verwaltungsbescheid, sondern nur im Wege der Klage geltend machen dürfe.

Der Beklagte hat kein Rechtsmittel eingelegt. Er beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision hat keinen Erfolg.

Unzutreffend ist die Ansicht der Revision, der Dienstherr dürfe seinen Beamten (Ruhestandsbeamten) zur Rückerstattung gesetzwidrig zuviel gezahlter Dienstbezüge (Versorgungsbezüge) nicht durch Verwaltungsakt (Leistungsbescheid), sondern – nach erfolgloser Zahlungsaufforderung – nur im Wege der Klageerhebung heranziehen. Nach der im Einklang mit der Verwaltungspraxis und mit der Verwaltungsrechtsprechung der Gerichte erster und zweiter Instanz stehenden ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf der Dienstherr die seinen Beamten geleisteten Überzahlungen durch – im Verwaltungsrechtswege anfechtbaren – Verwaltungsakt zurückfordern (vgl. BVerwGE 8, 261 [262] mit weiteren Hinweisen; BVerwGE 11, 285; 13, 248 [249]). Statt dessen ist allerdings bei Rechtsschutzinteresse auch die Leistungsklage des Dienstherrn zulässig (vgl. Urteile des Senats vom 30. März 1960 – BVerwG II C 193.57 [Buchholz BVerwG 232, § 172 BBG Nr. 3] und vom 24. November 1966 – BVerwG II C 27.64 – [DÖV 1967 S. 422; ZBR 1967 S. 158]). Diese Rechtsprechung hat – anders als die gleichgerichtete Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Heranziehung des Beamten durch Verwaltungsakt zum Ersatz durch Dienstpflichtverletzung entstandenen Schadens – im Schrifttum bisher keinen Widerspruch gefunden, jedenfalls „kein Aufsehen erregt” (Bachof in JZ 1966 S. 60). Das mag daran liegen, daß die Rückforderung von Überzahlungen häufig eng mit einer das einzelne Beamten- oder Versorgungsverhaltnis in einer bestimmten Rechtsbeziehhung konkretisierenden Regelung verbunden ist, die durch Verwaltungsakt getroffen wird, wie z. B. mit der Anordnung des Ruhens von Dienst- oder Versorgungsbezügen, der Festsetzung des Besoldungsdienstalters oder der Neufestsetzung des Ruhegehalts u. dgl. mehr; das mag auch darauf beruhen, daß die Rückforderung von Überzahlungen häufig unmittelbar mit der Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte verknüpft wird. Das besondere rechtliche Gewicht liegt nämlich in solchen Fällen zumeist in den bezeichneten Regelungen oder in der Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes, nicht also in der Rückforderung der Überzahlung, wodurch nahegelegt sein mag, die Rückforderung als bloßen „Annex” anzusehen, sie in den über die Regelung oder Rücknahme ergehenden Bescheid einzubeziehen und gegenüber dem Betroffenen durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Angesichts der wohl allgemeinen Zustimmung zu dieser Praxis und Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung bisher nicht eingehend begründet. Das Vorbringen der Revision gibt Anlaß zu einer näheren Begründung, ist aber nicht geeignet, die Richtigkeit der bisherigen Rechtsprechung in Frage zu stellen.

Nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des deutschen Verwaltungsrechts sind die Organe der vollziehenden öffentlichen Gewalt befugt, zur hoheitlichen Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben Verwaltungsakte – mit dem Merkmal der befristeten Anfechtbarkeit und dem Anspruch auf Rechtsverbindlichkeit nach Eintritt der Unanfechtbarkeit bei Fehlen von Rechtsfehlern, die zur Nichtigkeit führen – zu erlassen, sofern nicht ausnahmsweise etwas anderes vorgeschrieben ist (ebenso schon BVerwGE 18, 283 [285]; 19, 243 [245 f.]; 21, 270 [271]). Die von der Revision und auch zuweilen im Schrifttum vertretene Ansicht, die öffentliche Verwaltung bedürfe, um zum Handeln durch Verwaltungsakt befugt zu sein, jeweils einer besonderen gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Ermächtigung, steht mit dem geltenden Recht nicht im Einklang. Den Rechtsbegriff des „Verwaltungsakts” als des typischen Mittels der hoheitlichen Verwaltung zur verbindlichen Regelung von Einzelfällen haben die Rechtswissenschaft und die Rechtsprechung ohne das Erfordernis jeweiliger rechtssatzmäßiger Ermächtigung zum Vorgehen durch Verwaltungsakt entwickelt. Die Befugnis der hoheitlichen Verwaltung zum Erlaß von Verwaltungsakten wird nicht aus besonderen Rechtssätzen, sondern aus der Überordnung der hoheitlichen Verwaltung, aus der „rechtlich überwiegenden Kraft des namens des Gemeinwesens geäußerten Willens” hergeleitet (so Wittmayer in Anschütz-Thoma, Handbuch des deutschen Staatsrechts, 1932, Band 2 S. 336 f.; vgl. auch Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Auflage, S. 21 und 246; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 156 ff.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Band, Allgemeiner Teil, 9. Auflage, § 11 S. 188 ff.; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, 6. Auflage, § 46 I und III; Bachof in JZ 1966 S. 60). In der Verwaltungsrechtslehre wird deshalb bei der Erörterung der zur Nichtigkeit oder zur Anfechtbarkeit eines Verwaltungsakts führenden Rechtsfehler nicht – was bei Richtigkeit der Ansicht der Revision zu erwarten wäre – als Fehler angeführt, daß die rechtssatzmäßige Ermächtigung zum Handeln durch Verwaltungsakt fehle. Übereinstimmend hiermit wurde bei der Einführung der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel – nämlich des Grundsatzes, daß der Verwaltungsrechtsweg für alle nicht verfassungsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten eröffnet ist – in den Jahren seit 1946 der Begriff der anfechtbaren „Verfügungen und sonstigen Verwaltungsakte” durch § 22 der süddeutschen Verwaltungsgerichtsgesetze aufgegriffen und in § 25 Abs. 1 der Verordnung Nr. 165 der Britischen Militärregierung, die unter Beteiligung deutscher Juristen erlassen wurde, der „Verwaltungsakt” gekennzeichnet als „jede Verfügung, Anordnung, Entscheidung oder sonstige Maßnahme, die von einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts getroffen wird”. Das Erfordernis jeweiliger rechtssatzmäßiger Ermächtigung zum Handeln durch Verwaltungsakt wurde weder in den genannten Verfahrensgesetzen noch von ihren Kommentatoren aufgestellt. Die Verwaltungsrechtsprechung, hierin unterstützt durch das Schrifttum, sah sich deshalb nicht durch das Erfordernis einer solchen jeweiligen Ermächtigung daran gehindert, im Interesse möglichst umfassenden Rechtsschutzes den Begriff des anfechtbaren Verwaltungsakts weit auszulegen. Diese weite Auslegung wäre nicht möglich gewesen, wenn das Vorliegen eines – anfechtbaren und potentiell rechtsverbindlichen – Verwaltungsakts nur bei Vorliegen einer rechtssatzmäßigen Ermächtigung zum Handeln durch Verwaltungsakt anzuerkennen wäre. Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die weite Auslegung des Begriffs „Verwaltungsakt” als richtig bestätigt und die Voraussetzung einer rechtssatzmäßigen Ermächtigung nicht gefordert worden (vgl. BVerwGE 1, 263 zur Verweisung eines Schülers von der Schule; BVerwGE 3, 258 [262] zum Bebauungsplan; BVerwGE 8, 272 zum Konferenzbeschluß über die Versetzung eines Schülers; BVerwGE 14, 84 zur Entbindung eines Beamten von dienstlichen Aufgaben; BVerwGE 16, 312 zur Ablehnung der Genehmigung einer Wahlordnung der Industrie- und Handelskammer; BVerwGE 18, 154 zur Eingemeindung; BVerwGE 19, 19 [21] zur Festsetzung des allgemeinen Dienstalters). Auch im Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (vgl. Gegenüberstellung des Bundesministers des Innern – I B 4 – 130 210/5 -, Stand Dezember 1965) ist nicht vorgesehen, die Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten von einer gesetzlichen Ermächtigung abhängig zu machen.

Das Beamtenverhältnis ist ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, in dem der öffentlich-rechtliche Dienstherr dem Beamten in hoheitlicher Überordnung gegenübersteht. Nach dem schon dargelegten allgemeinen Rechtsgrundsatz ist deshalb der Dienstherr grundsätzlich befugt, die Einzelheiten dieses Rechtsverhältnisses durch Verwaltungsakt zu regeln. Nun ist allerdings geltend gemacht worden, daß nicht notwendigerweise alle Beziehungen des Dienstherrn zum Beamten an dem das Beamtenverhältnis kennzeichnenden Über- und Unterordnungsverhältnis teilnehmen und daß z. B. die Zuordnung des Schadensersatzanspruchs des Dienstherrn wegen Dienstpflichtverletzung des Beamten zu diesem Verhältnis noch näherer Begründung bedürfe (Bachof in JZ 1966 S. 60; BVerwGE 24, 225 [228]). Dieses Vorbringen mag Anlaß geben, nicht nur das Beamtenverhältnis schlechthin, sondern die einzelne dem Rechtsstreit zugrunde liegende Rechtsbeziehung darauf zu prüfen, ob auch insoweit ein hoheitliches Überordnungsverhältnis besteht. Daß auch aus dieser Sicht der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Soldaten, der seine Dienstpflicht verletzt hat, an dem Über- und Unterordnungsverhältnis des Soldatenverhältnisses teilnimmt, hat inzwischen der VIII. Senat des

Bundesverwaltungsgerichts in den Gründen seiner Urteile vom 28. Juni 1967 – BVerwG VIII C 74.66 – und – BVerwG VIII C 68.66 – dargelegt. Entsprechendes gilt für den Anspruch des Dienstherrn auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge. Das Besoldungs- und Versorgungsrecht der Beamten einschließlich des Rechts der Reise- und Umzugskosten, der Beihilfen in Krankheits- und Todesfällen usw. ist hoheitsrechtlich dergestalt geregelt, daß die Bezüge nicht zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten ausgehandelt, sondern einseitig entweder unmittelbar durch das Gesetz oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung durch gebundenen oder auf Ermessensausübung beruhenden Verwaltungsakt des Dienstherrn bestimmt werden. Kennzeichnend hierfür sind die zahlreichen gesetzlichen Vorschriften, nach denen die Versorgungsbezüge, bestimmte Elemente der Dienstbezüge im engeren Sinne (z. B. das Besoldungsdienstalter) sowie Reisekosten, Umzugskosten, Beihilfen usw. durch Verwaltungsakte festgesetzt oder bewilligt werden. Auch der Sache nach ist die Gewährung der Dienst- und Versorgungsbezüge – und ebenso auch der actus oontrarius: die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge dieser Art – eng mit dem durch die Überordnung des Dienstherrn gekennzeichneten Wesen des Beamtenverhältnisses verbunden. Denn diese Bezüge sind nicht lediglich ein Arbeitsentgelt, sondern haben den Sinn, den Beamten zur möglichst wirksamen Ausübung seines Amtes, u.a. durch Sicherung der amtgemäßen Lebenshaltung und Repräsentation, zu befähigen. Die Festsetzung ihrer Höhe dient also demselben Verwaltungszweck wie die Einrichtung des Beamtenverhältnisses überhaupt. Die einseitige hoheitliche Bestimmung der Dienstbezüge unter gleichmäßiger Beachtung der maßgebenden Vorschriften – anstelle einer unterschiedlichen Regelung durch Einzelvereinbarung – hat zudem den Sinn, alle Beamten je nach ihrem Amt gleichmäßig, gerecht und damit in einer Weise zu alimentieren, die Störungen der Verwaltungsarbeit durch Unzufriedenheit fernhält. Diesem – und nicht nur einem rein fiskalischen – Zweck dient auch die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zahlungen. Denn es würde die Dienstmoral der Beamten und den betrieblichen Frieden stören, wenn einzelne Beamte, die infolge eigenen Fehlverhaltens oder aufgrund von Fehlern der Verwaltung Zahlungen erhalten haben, die ihnen rechtlich nicht zustehen, diese Zahlungen behalten und damit einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den ordnungsgemäß handelnden und behandelten Beamten gewinnen könnten. Der hoheitsrechtliche Charakter der Rückforderung von Überzahlungen, der sich aus den dargelegten Erwägungen ergibt, wirkt sich übrigens für den Beamten nicht nur ungünstig, sondern auch günstig aus. Die Regelung seiner Bezüge durch Verwaltungsakte verschafft ihm nämlich eine Rechtsposition, die sein Vertrauen auf die Rechtsmäßigkeit und Rechtsbeständigkeit der ergangenen Verwaltungsakte, auch wenn diese ihn gesetzwidrig begünstigen, in gewissem – vom Bundesverwaltungsgericht in zahlreichen Entscheidungen umrissenen – Umfange schützt; diese Art des Vertrauensschutzes entfiele, wenn sich der öffentlich-rechtliche Dienstherr und der Beamte bei der Zahlung und Rückforderung von Dienstbezügen auf der Ebene der Gleichordnung befänden.

Die demgegenüber geäußerte Ansicht der Revision, die Rückforderung zuviel gezahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge sei ein privatrechtlicher Anspruch, weil sie gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 LBG auf der Herausgabepflicht des Betroffenen „nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung” beruht, ist unrichtig. Durch die wiedergegebene gesetzliche Wortfolge (ebenso § 87 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes und § 53 Abs. 2 BRRG) wurde zugunsten der Beamten das frühere Recht geändert; nach dem früheren Recht mußte der Beamte Überzahlungen stets, ohne Rücksicht auf den Wegfall der Bereicherung, zurückzahlen (§ 39 des Reichsbesoldungsgesetzes vom 16. Dezember 1927 in der Fassung des § 50 des Beamtenrechtsänderungsgesetzes vom 30. Juni 1933 [RGBl. I S. 433] und Nr. 116a der Besoldungsvorschriften [RBB 1935 S. 21]). Die wiedergegebene Wortfolge soll also nur die Rückzahlungspflicht der Beamten einschränken; sie soll aber nicht zum Ausdruck bringen, daß die Rückforderung zuviel gezahlter Dienst- und Versorgungsbezüge ein Anspruch des bürgerlichen Rechts sei. Für eine Absicht des Gesetzgebers, das bisherige Recht in dieser rechtssystematischen Frage zu ändern, besteht kein Anhaltspunkt. Die öffentlich-rechtliche Natur des Anspruchs des Dienstherrn auf Rückerstattung zuviel gezahlter Dienstbezüge ist seit dem Urteil des Reichsgerichts vom 12. Juni 1923 – III 641/22 – (RGZ 107, 189 [190]) nicht mehr zweifelhaft (vgl. a. die rechtsgeschichtlichen Ausführungen im Bescheid des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. April 1959 – VI A 684/57 – [OVGE 15, 32]).

Die öffentlich-rechtliche, und zwar hoheitsrechtliche Natur des Rückforderungsanspruchs rechtfertigt die Folgerung, daß der Dienstherr diesen Anspruch durch Verwaltungsakt regeln, d.h. vorbehaltlich der Prüfung im Anfechtungsverfahren mit dem Anspruch auf Reohtsverbindlichkeit zumindest festsetzen darf. Das geltende Beamtenrecht enthält keine Ausnahmeregelung, welche diese Art des Verwaltungshandelns ausschließt. Auch im früheren Beamtenrecht, zuletzt geregelt im Deutschen Beamtengesetz vom 26. Januar 1937 (RGBl. I S. 39) – DBG -, fehlte übrigens eine Vorschrift des Inhalts, daß der Dienstherr zuviel gezahlte Dienstbezüge nicht im Wege des Verwaltungsakts, sondern nur durch Aufrechnung oder durch Klageerhebung zurückfordern dürfe. Aus der allgemeinen Regelung für die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche des Beamten und des Dienstherrn im Rahmen des Beamtenverhältnisses ergab sich allerdings als mittelbare Folge die Unzulässigkeit der Rückforderung zuviel gezahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge durch Verwaltungsakt. Solche Ansprüche waren – ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Natur – vor den Zivilgerichten geltend zu machen (Art. 129 Abs. 1 Satz 4 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 [RGBl. S. 1383], § 142 in Verbindung mit § 182 DBG). Aus dieser Regelung wurde die Folgerung hergeleitet, daß der Dienstherr seinen Rückforderungsanspruch nicht – zur Umgehung des Zivilrechtsweges – durch Verwaltungsakt geltend machen und daß er sich zum Zweck der Erlangung eines vollstreckbaren Titels gegen den Beamten nur des Zivilrechtsweges bedienen dürfe. Diese Besonderheit des früheren Beamtenrechts ist im geltenden Beamtenrecht weggefallen. Es gibt nicht mehr eine verfassungsrechtliche Vorschrift des Inhalts, daß für die vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn aus dem Beamtenverhältnis der Zivilrechtsweg nicht ausgeschlossen werden dürfe. Auch die neuen Beamtengesetze schreiben keine besondere Behandlung der vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis vor; nunmehr ist für alle Klagen der Beamten und des Dienstherrn aus dem Beamtenverhältnis der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 172 BBG, § 126 BRRG, § 180 LBG NW). Dieser reinen Rechtswegregelung ist nichts darüber zu entnehmen, daß der Dienstherr von seiner grundsätzlichen Befugnis, den Rückforderungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen, ausnahmsweise keinen Gebrauch machen dürfe.

Nun umfaßt allerdings die grundsätzliche Befugnis der Verwaltung, im Rahmen der Hoheitsverwaltung Regelungen des Einzelfalls durch Verwaltungsakt zu treffen, nicht notwendigerweise stets auch die Befugnis, sich durch Verwaltungsakt einen vollstreckbaren Zahlungstitel gegen den einzelnen zu verschaffen. Zur Durchsetzung ihrer gegen den einzelnen gerichteten öffentlich-rechtlichen Geldforderungen bedurfte die öffentliche Verwaltung vielmehr herkömmlicherweise – jedenfalls nach dem hier in Betracht kommenden früheren Reichsrecht und preußischen Recht – der verfahrensrechtlichen Ermächtigung durch Gesetz oder Rechtsverordnung. Solche gesetzlichen Zwangsvollstreckungsermächtigungen galten in Preußen – anders als in einigen anderen deutschen Ländern – nur enumerativ (vgl. Verordnung betreffend das Verwaltungszwangsverfahren wegen Beitreibung von Geldbeträgen vom 15. November 1899 [GS S. 545]; Gesetz über die Zulässigkeit des Verwaltungszwangsverfahrens und über sonstige finanzielle Zwangsbefugnisse vom 12. Juli 1933 [GS S. 252]). Sie bestanden im Beamtenrecht Preußens und des Deutschen Reiches für bestimmte Bereiche, so insbesondere für das „Defektenverfahren”, seit 1937 im Rahmen des Erstattungsgesetzes vom 18. April 1937 (RGBl. I S. 461), jedoch nicht allgemein und nicht für die Rückforderung zuviel gezahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge. Auch deshalb konnte der Dienstherr nach dem seit 1937 geltenden Beamtenrecht solche Rückforderungsansprüche nicht durch Leistungsbescheid, sondern nur durch Aufrechnung oder mittels eines gerichtlichen Zwangsvollstreckungstitels durchsetzen.

Diese Beschränkung ist jedoch – worauf das Berufungsgericht zutreffend abgestellt hat – durch die nach 1945- ergangenen Verwaltungsvollstreckungsgesetze beseitigt worden, die den öffentlich-rechtlichen Körperschaften allgemein gestatten, ihre öffentlich-rechtlichen Geldforderungen im Verwaltungswege, d.h. mittels eines Verwaltungsakts (Leistungsbescheides), zu vollstrecken (vgl. §§ 1 Abs. 1 und 3 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes vom 27 April 1953 [BGBl. I S. 157] – VwVG -; §§ 1 und 6 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 1957 [GV.NW S. 216] – VwVG.NW -). Ob diese allgemeine Zwangsvollstreckungsermächtigung nur im Bereiche des hoheitlichen Überordnungsverhältnisses gilt, was für das Bundesrecht aus § 1 Abs. 2 VwVG abzuleiten wäre und von der Revision auch in die Vorschrift des § 1 VwVG.NW, obgleich sie keine dem § 1 Abs. 2 VwVG entsprechende Einschränkung enthält, als selbstverständlich hineingelesen wird, kann hier unentschieden bleiben. Denn schon oben ist dargelegt worden, daß der Anspruch des Dienstherrn auf Rückzahlung zuviel gezahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge hoheitlicher Rechtsnatur ist. Dieser Rückzahlungsanspruch gehört also zu den öffentlich-rechtlichen Geldforderungen, die der Dienstherr nicht nur nach dem oben erörterten allgemeinen Rechtsgrundsatz durch Verwaltungsakt geltend machen, sondern auch nach den Vorschriften des neuen Verwaltungsvollstreckungsrechts durch Zwangsvollstreckung dieses Verwaltungsakts durchsetzen darf. Eine besondere, die beamtenrechtlichen Geldforderungen der vorliegenden Art aus dem Anwendungsbereich der §§ 1 und 6 VwVG.NW ausschließende gesetzliche Regelung besteht nicht.

Gegen die dargestellte Rechtslage bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken:

Es kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1) – GG – sei dadurch verletzt, daß die Verwaltung im vorliegenden Fall einen Verwaltungsakt ohne hinreichende gesetzliche Ermächtigung erlassen habe. Freilich bedürfen Eingriffsakte der öffentlichen Verwaltung – so auch der streitige Rückforderungsbescheid – in materiellrechtlicher Hinsicht der gesetzlichen Grundlage; das steht außer Streit. Die Grundsätze der Gewaltenteilung und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebieten aber herkömmlicherweise nicht, daß die Verwaltung auch für die Art und Weise ihres Vorgehens, insbesondere für das Handeln durch Verwaltungsakt, stets einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Bezüglich der Zwangsvollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen durch Leistungsbescheid enthalten, soweit dies überhaupt verfassungsrechtlich erforderlich sein sollte, jedenfalls die neueren Verwaltungs-Vollstreckungsgesetze die gesetzliche Ermächtigung.

Eine Verletzung des Art. 20 Abs. 3 GG wird auch nicht mit dem Vorbringen dargetan, daß die Verwaltung durch den Leistungsbescheid gleichsam als „Richter in eigener Sache” in den Zuständigkeitsbereich der Rechtsprechung übergreife. In den Fällen, in denen die Verwaltung zur Wahrung der Interessen der öffentlichen Hand bezüglich einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung einen Verwaltungsakt erläßt, wird sie nicht in Anmaßung rechtsprechender Gewalt tätig; sie nimmt nur Verwaltungsaufgaben unter dem Vorbehalt der richterlichen Prüfung im Anfechtungsverfahren wahr. Der Hinweis der Revision auf den Aufsatz von Schüle „Der streitentscheidende Verwaltungsakt” (Staats- und verwaltungswissenschaftliche Beiträge, 1957, S. 277) geht fehl. Es handelt sich bei Leistungsbescheiden der vorliegenden Art nicht um „streitentscheidende Verwaltungsakte” in dem von Schüle dargelegten Sinne. Zudem bezeichnet Schüle (a.a.O. S. 294) selbst den echten „streitentscheidenden Verwaltungsakt”, der der Rechtsprechung sogar näher als der vorliegende Leistungsbescheid steht, gerade mit der Begründung als verfassungsgerecht, daß er Akt der Verwaltung bleibe und der gerichtlichen Prüfung unterliege. Auch in anderen Fällen, in denen der Staat oder die Gemeinde Geldforderungen (Steuern, Beiträge, Gebühren) ungeachtet der Streitigkeit dieser Forderungen durch Leistungsbescheide geltend macht und dabei eigene wirtschaftliche Interessen vertritt, spricht man mit Recht nicht von einer unzulässigen Tätigkeit als „Richter in eigener Sache”. Die von Bachof (JZ 1966 S. 60) betonte „Nähe” des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs oder Erstattungsanspruchs zu den vergleichbaren zivilrechtlichen Ansprüchen nimmt der Geltendmachung der in Rede stehenden beamtenrechtlichen Ansprüche nicht den Charakter einer hoheitsrechtlichen Verwaltungsmaßnahme. Sie darf zudem nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Sache nach ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen dem Rechtsstreit zweier subjektiv interessierter und nicht zur Objektivität verpflichteter Privatleute und der Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Geldanspruchs durch persönlich uninteressierte und zu objektivem und gesetzmäßigem Vorgehen dienstlich verpflichtete Bedienstete der öffentlichen Verwaltung im Interesse rechtmäßiger und wirtschaftlicher Verwendung der von der Allgemeinheit aufgebrachten öffentlichen Mittel.

Der in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegte Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verlangt nicht, wie die Revision meint, daß unter mehreren Möglichkeiten – d.h. hier dem Erlaß eines Leistungsbescheides und der Klageerhebung – diejenige gewählt wird, die den größeren Rechtsschutz gewahrt. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit des Mittels und das Verbot des Übermaßes haben eine andere, materiellrechtliche Bedeutung und verbieten der Verwaltung nicht, unter mehreren gesetzlichen Verfahrensmöglichkeiten die ihr geeignete auszuwählen. Zudem bietet die Möglichkeit, einen Verwaltungsakt vor dem Verwaltungsgericht anzufechten, keinen schwächeren Rechtsschutz als die Möglichkeit, sich gegenüber einer Leistungsklage des Dienstherrn zur Wehr zu setzen. Gewisse Unterschiede der beiden Verfahrensarten sind verfassungsrechtlich belanglos.

Auch Art. 33 Abs. 5 GG ist nicht verletzt. Nach dieser Vorschrift ist das „Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln”, d.h. unter Berücksichtigung – nicht schlechthin unter Beachtung – eines während längerer Zeit als verbindlich anerkannten „Kernbestandes von Strukturprinzipien” (vgl. BVerfGE 8, 332 [343]; 15, 167 [195]; BVerwGE 24, 235 [239]). Zu diesen Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums gehört zwar der Grundsatz, daß für vermögensrechtliche Ansprüche der Beamten der Rechtsweg offenstehen muß. Diesem Grundsatz wird das geltende Recht aber mehr als gerecht; denn es eröffnet dem Beamten in Erweiterung seines früheren Rechtsschutzes für jeden Anspruch und gegen jede Rechtsbeeinträchtigung seitens des Dienstherrn den Rechtsweg (Art. 19 Abs. 4 GG; § 126 BRRG). Nicht zu den zu berücksichtigenden hergebrachten Grundsätzen gehört dagegen der Anspruch auf den „ordentlichen” (Zivil-)Rechtsweg (vgl. von Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band II, 2. Auflage 1964, Art. 33 Anm. VII 3 e mit Hinweisen) oder auf eine bestimmte Verfahrensart für die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn. Die aus der Rechtswegregelung sich ergebenden Fragenbetreffen nicht den für das Berufsbeamtentum wesentlichen Kernbestand von Strukturprinzipien. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht gehindert, die für alle Bürger geltenden Regelungen des Verwaltungsgerichtsverfahrens und der Verwaltungsvollstreckung auch auf Ansprüche und Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis zu erstrecken, zumal er die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nur zu berücksichtigen braucht und weiterentwickeln darf. Insgesamt hat sich zudem die verfahrensrechtliche Rechtslage der Beamten aufgrund des neuen Rechts nicht verschlechtert, sondern durch den neu geschaffenen umfassenden Rechtsschutz – der es dem Beamten ermöglicht, bei jeder seinen Rechtsstand betreffenden Streitigkeit die Gerichte anzurufen – erheblich verbessert. In diesem generell verbesserten Rahmen ist es kein wesentlicher Nachteil, daß der Beamte sich gegen vermögensrechtliche Ansprüche des Dienstherrn im Anfechtungsverfahren statt als Beklagter gegenüber einer Klage des Dienstherrn zur Wehr setzen muß.

Das weitere Vorbringen der Revision in diesem Zusammenhang geht fehl.

Unverständlich ist das Revisionsvorbringen, daß bei Erlaß eines Leistungsbescheides die Verjährungsfrist, die der Dienstherr zu beachten hat, deshalb „praktisch auf einen Monat abgekürzt” würde, weil der betroffene Beamte die Widerspruchsfrist von einem Monat zu beachten hat. Auf den Ablauf der gegen den Dienstherrn laufenden Verjährungsfrist hat der Beamte in keinem Falle entscheidenden Einfluß, gleichviel ob der Dienstherr diese Frist durch Klageerhebung oder ob er sie durch Erlaß eines Leistungsbescheides unterbricht. Für die Zeitspanne, innerhalb derer der Beamte sich darüber schlüssig werden muß, ob er sich gegen den Anspruch des Dienstherrn zur Wehr setzen und einem entsprechenden Prozeßkostenrisiko aussetzen will, ist ohne wesentliche Bedeutung, ob er einen Leistungsbescheid oder – vor Erhebung der Zahlungsklage seitens des Dienstherrn – eine befristete Zahlungsaufforderung erhält.

Unrichtig ist ferner das Vorbringen, das verwaltungsgerichtliche Anfechtungsverfahren sei kostspieliger als die Leistungsklage des Dienstherrn und erhöhe das Kostenrisiko des Klägers. Dieses Revisionsvorbringen berücksichtigt nicht hinreichend die Vorteile des dem Anfechtungsverfahren vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens; dieses ermöglicht dem Beamten die Geltendmachung seiner Gegengründe und gewährleistet eine nochmalige gründliche Sach- und Rechtsprüfung seitens der Dienstbehörde, ohne daß hierfür schon Kosten entstehen müssen. Zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in diesem Verwaltungsverfahren ist der Beamte nicht genötigt. Jedenfalls kostensparend wirkt sich für den Beamten aus, daß der Dienstherr sich für eine Forderung, die der Beamte nicht bestreitet, zum Zwecke einer besseren Sicherung der Forderung oder der Unterbrechung der Verjährung einen vollstreckbaren Titel durch kostenfreien Erlaß eines Leistungsbescheides verschaffen kann, statt ein gerichtliches Leistungsurteil erwirken zu müssen. Leugnet der Beamte die Forderung des Dienstherrn, so wird das Kostenrisiko nicht dadurch geringer, daß er sich gegen eine Leistungsklage des Dienstherrn zur Wehr setzen und nicht selbst Anfechtungsklage erheben muß. Kann er den Gerichtskostenvorschuß nicht aufbringen, den er bei Erhebung der Anfechtungsklage möglicherweise schon in der ersten Gerichtsinstanz, gegenüber einer Klage des Dienstherrn aber erst dann leisten muß, wenn er gegen ein ihm ungünstiges Urteil in der zweiten oder dritten Instanz ein Rechtsmittel einlegt, so stehen ihm die Vorschriften über die Bewilligung des Armenrechts zur Seite. Daß der Dienstherr eher und leichtfertiger bereit sei, einen Leistungsbescheid zu erlassen und sich der Anfechtungsklage auszusetzen, als selbst Klage zu erheben und hierfür einen Gerichtskostenvorschuß zu zahlen, ist eine bloße Behauptung der Revision, der zudem die Tatsache entgegensteht, daß die öffentlich-rechtlichen Dienstherren aus Gründen der gebotenen sparsamen Verwaltung öffentlicher Mittel zur Beitreibung zuviel gezahlter Bezüge verpflichtet sind und von den Rechnungshöfen hierzu angehalten werden. Ob der Dienstherr sich im Einzelfall zunächst mit der Aufrechnung von Teilbeträgen begnügt und so dem Beamten Gelegenheit gibt, durch Zahlungsklage wegen des aufgerechneten Teilbetrages mit geringen Kosten eine gerichtliche Klärung des gesamten Anspruchs zu erwirken, hängt von den Umständen – z. B. drohender Verjährung oder Zahlungsunfähigkeit des Beamten – oder von einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn ab. Das gleiche Ergebnis läßt sich unter vergleichbaren Umständen durch eine Vereinbarung dahin erreichen, daß der Dienstherr den Leistungsbescheid zunächst nur wegen eines Teilbetrages erläßt.

Soweit schließlich die Revision auf Unterschiede zwischen dem Zivilprozeß und dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren hinweist, liegt ihr Vorbringen neben der Sache. Denn nach den geltenden Vorschriften (§ 126 BRRG) ist sowohl für die Leistungsklage des Beamten als auch für die Leistungsklage des Dienstherrn der Verwaltungsrechtsweg vorgeschrieben. Auf dieses Vorbringen braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.

Abschließend ist nach alledem festzustellen, daß sich der gerichtliche Rechtsschutz der Beamten gegenüber der bis 1945 bestehenden Rechtslage nicht verschlechtert, sondern auch bei Berücksichtigung der Möglichkeit von Leistungsbescheiden erheblich verbessert hat, so daß weder verfassungsrechtliche noch auch nur rechtspolitische Bedenken anzuerkennen sind. – Die hiernach zulässigerweise ergangenen angefochtenen Verwaltungsbescheide sind auch in materiellrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Dies ist aufgrund der Sachrüge der Revision von Amtswegen zu prüfen, bedarf aber deshalb keiner eingehenderen Begründung, weil die Revision insoweit nichts geltend gemacht hat. Daß der Kläger die allein noch streitigen Überzahlungen für den Zeitraum von April bis Oktober 1959 gesetzwidrig erhalten hat, ist zutreffend und unstreitig. Bei der Entscheidung, daß der Kläger den Mangel des Rechtsgrundes dieser Überzahlungen seit März 1959 hätte erkennen müssen, hat das Berufungsgericht – wie der Zusammenhang seiner Urteilsbegründung zeigt – den Rechtsbegriff „Erkennenmüssen” nicht zuungunsten des Klägers verkannt, nämlich nicht zu streng ausgelegt. Die hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen samt der ihnen zugrunde liegenden Tatsachenwürdigung sind gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für das Revisionsgericht verbindlich. Die Billigkeitsentscheidung (§ 98 Abs. 2 Satz 3 LBG) hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei in der Bewilligung ratenweiser Tilgung des Erstattungsbetrages erblickt.

Hiernach ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 231 DM festgesetzt