Die EU-Regulierungsbehörden haben einen bedeutsamen Schritt gegen Neobroker unternommen, indem sie einen zentralen Bestandteil ihres Geschäftsmodells verbieten. Diese Neuerung hat unter den Mitgliedstaaten der EU gemischte Gefühle hervorgerufen und ist Gegenstand intensiver Debatten. Im Folgenden betrachten wir die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Börsenlandschaft, insbesondere auf Broker und Kleinanleger.
Historisch gesehen zeigten Deutsche nicht so viel Interesse an der Börse im Vergleich zu anderen Nationen. Aber die jüngsten Zeiten, besonders nach der Corona-Pandemie, haben eine drastische Veränderung in dieser Haltung gezeigt, insbesondere bei der jüngeren Generation. Daten des Deutschen Aktieninstituts belegen, dass die Zahl der Aktionäre im vergangenen Jahr auf 12,9 Millionen gestiegen ist, den höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten. Ein großer Teil dieses Wachstums kann auf die Popularität von Neobrokern zurückgeführt werden. Unternehmen wie Trade Republic und Scalable Capital ermöglichen es durch ihre Apps, den Börsenmarkt leichter zugänglich zu machen, insbesondere für diejenigen, die nur kleine Beträge investieren möchten.
Trotz dieses positiven Trends steht das Geschäftsmodell der Neobroker nun vor ernsthaften Herausforderungen aufgrund von Regulierungen durch die EU. Die Hauptbesorgnis ist, dass diese Regulierung den Kleinanlegern erschweren könnte, zu erschwinglichen Preisen in Aktien und ETFs zu investieren. Dieser Standpunkt wird unter anderem vom Finanzminister Christian Lindner geteilt, der die Entscheidung der EU kritisiert hat.
Ein großer Teil des Geschäftsmodells von Neobrokern besteht darin, Kundenorders an kleinere Börsen weiterzuleiten. Market Maker spielen hier eine entscheidende Rolle, indem sie die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreisen (dem sogenannten Spread) nutzen, um Gewinne zu erzielen. Eine wichtige Einnahmequelle für Neobroker, die sogenannte Payment for Order Flow (PFOF), ist insbesondere im Visier der EU-Regulierer.
Die Europäische Union plant, die Hauptgeschäftspraxis von Neobrokern, das Payment for Order Flow (PFOF), zu regulieren, da sie Interessenkonflikte bei der Ausführung von Wertpapierorders durch Neobroker sieht. Das Problem liegt darin, dass die Neobroker oft die Orders ihrer Kunden an Market Maker weiterleiten, die am meisten für den Order Flow bezahlen und nicht unbedingt den besten Preis bieten. Bei PFOF erhalten die Neobroker eine Rückvergütung von den Market Makern für die Weiterleitung von Kundenorders, was ihnen ermöglicht, niedrigere Gebühren zu verlangen. Obwohl dieses Modell Kleinanlegern geringere Gebühren bietet, werden die tatsächlichen Kosten oft durch den Spread und die Rückvergütungen verdeckt.
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat Bedenken hinsichtlich des Anlegerschutzes geäußert, da die wirklichen Kosten für den Anleger oft nicht transparent sind. Dies hat zur Überlegung geführt, PFOF in der EU zu verbieten, ähnlich wie es bereits im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden der Fall ist.
Ebenfalls Erfahrung mit dem PFOF-Modell haben die USA. Dort haben Market Maker besonders hohe Beträge gezahlt, um den Order Flow von Neobrokern zu erhalten. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Kunden von Neobrokern in der Regel Kleinanleger sind, die als “dumb money” bezeichnet werden, da sie tendenziell weniger informierte Entscheidungen treffen. Obwohl das PFOF-Modell in den USA kritisiert wurde, insbesondere nach seiner Verbindung mit Bernie Madoff, hat es nicht denselben regulativen Schub wie in Europa erfahren.
Die Reaktionen auf das geplante EU-Verbot von PFOF sind gemischt. Einige Länder, wie Spanien und die Niederlande, unterstützen das Verbot, während andere, insbesondere Deutschland, dagegen waren. Das Hauptargument gegen das Verbot ist, dass Kleinanleger von den niedrigeren Gebühren profitieren können, die durch PFOF ermöglicht werden. Das geplante EU-Verbot scheint jedoch unausweichlich, auch wenn es als überstürzt und undifferenziert angesehen wird. Dennoch erhalten deutsche Neobroker eine Übergangsfrist bis 2026, um sich anzupassen.
Das Endspiel dieser Regulierung ist noch ungewiss. Trotz der Kritik an Neobrokern und ihrem PFOF-Modell ist es unwahrscheinlich, dass sie völlig verschwinden werden. Neobroker haben Möglichkeiten, ihre Dienstleistungen kostengünstig anzubieten, und könnten von den steigenden Zinsen der Europäischen Zentralbank profitieren. Was jedoch sicher ist, ist, dass Kleinanleger wachsam bleiben und die Kosten ihrer Transaktionen genau prüfen sollten, um sicherzustellen, dass sie den besten Wert erhalten.