In einem Rechtsstaat steht der Schutz der Schwächsten stets im Zentrum legislativer Bestrebungen. Die Integrität und Unversehrtheit von Kindern zu wahren, bildet dabei eine fundamentale Säule, die sowohl das ethische als auch das juristische Fundament der Gesellschaft stützt. Vor diesem Hintergrund nimmt der Kampf gegen Kinderpornographie eine zentrale Rolle ein, der sich in den vergangenen Jahren durch eine sukzessive Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen im Strafgesetzbuch (StGB), speziell des § 184b StGB, manifestierte. Diese Entwicklung war und ist von der Intention geleitet, ein klares gesellschaftliches Zeichen gegen die Verbreitung, den Erwerb und die Verschaffung kinderpornographischer Inhalte zu setzen.
Die Verschärfung des § 184b StGB im Jahr 2021 zu einem Verbrechensdelikt (vgl. § 12 Absatz 1 StGB) markierte einen signifikanten Wendepunkt in dieser legislativen Entwicklungsreihe. Mit der Einführung strengerer Mindeststrafen für Delikte im Bereich der Kinderpornographie verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, eine abschreckende Wirkung zu erzielen und den rechtlichen Rahmen zur Bekämpfung dieser schweren Form der Kriminalität zu stärken. Diese Maßnahme, so die ursprüngliche Hoffnung, würde die strafrechtliche Verfolgung intensivieren und damit einen effektiveren Schutz für die Opfer sexualisierter Gewalt bieten.
Jedoch brachte die praktische Anwendung der verschärften Gesetzeslage unerwartete Herausforderungen und Problematiken zutage, die eine differenzierte Betrachtung erforderten. Insbesondere die rigide Handhabung der Mindeststrafen führte zu Konstellationen, in denen die Verhältnismäßigkeit der Strafen in Frage gestellt wurde. Fälle, die am unteren Rand der Strafwürdigkeit angesiedelt sind oder bei denen keine pädokriminelle Absicht vorlag, wurden mit derselben Strenge behandelt wie schwerwiegende Delikte. Diese Entwicklung provozierte eine breite Diskussion innerhalb der juristischen Fachwelt, der Politik sowie der Öffentlichkeit über die Angemessenheit der getroffenen gesetzlichen Maßnahmen.
Angesichts dieser Diskrepanz zwischen legislativer Intention und judikativer Realität kündigte das Bundesjustizministerium unter der Führung von Justizminister Dr. Marco Buschmann eine Reform des § 184b StGB an. Der vorliegende Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 16. November 2023 zielt darauf ab, die Mindeststrafen zu reduzieren und dadurch eine größere Flexibilität bei der Strafzumessung zu ermöglichen. Diese Anpassung soll es erlauben, auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls angemessen zu reagieren und gleichzeitig die effektive Bekämpfung von Kinderpornographie sicherzustellen.
Die Diskussion um die Reform des § 184b StGB berührt somit fundamentale Fragen des Rechtsstaates: Wie kann ein angemessener Ausgleich zwischen dem notwendigen und unermüdlichen Kampf gegen Kinderpornographie und der Gewährleistung rechtsstaatlicher Prinzipien wie der Verhältnismäßigkeit der Strafe gefunden werden? Wie lässt sich sicherstellen, dass die Strafverfolgung effektiv bleibt, ohne dabei diejenigen unverhältnismäßig hart zu bestrafen, deren Handlungen nicht von einer pädokriminellen Intention geleitet sind?
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Innerhalb des rechtlichen Rahmens, der die Verbreitung und Herstellung, das Zugänglichmachen sowie den Erwerb und die Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte sanktioniert, bildet § 184b Absatz 1 StGB eine zentrale Vorschrift, die das juristische Instrumentarium im Kampf gegen Kinderpornographie schärft. Die Norm legt fest, dass Taten, die sich auf die Verbreitung oder das Zugänglichmachen kinderpornographischer Inhalte beziehen – definiert durch sexuelle Handlungen von, an oder vor Personen unter vierzehn Jahren, die aufreizende Darstellung unbekleideter Kinder in geschlechtsbetonter Körperhaltung oder die Wiedergabe unbekleideter Genitalien oder Gesäße eines Kindes –, mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren geahndet werden. Eine solch rigorose Strafandrohung reflektiert den gesetzgeberischen Anspruch, diese Form der Sexualkriminalität mit aller Entschiedenheit zu verfolgen und den Schutz der jüngsten und verletzlichsten Mitglieder unserer Gesellschaft zu gewährleisten.
Die Problematik dieser gesetzlichen Regelung offenbart sich jedoch bei einer detaillierten Betrachtung der vorgesehenen Mindeststrafe von einem Jahr. Indem es sich bei dem Delikt seit der letzten Reform um ein Verbrechensdelikt handelt, bringt die Norm eine inhärente Starrheit mit sich, die in der Praxis zu erheblichen Herausforderungen führt. Insbesondere die rigide Anwendung der Mindeststrafe lässt wenig Raum für eine differenzierte Betrachtung individueller Fälle, insbesondere bei Handlungen, die nicht primär von einer pädokriminellen Intention getragen sind. Mit der Einstufung als Verbrechen wurde den Ermittlungsbehörden ein wesentliches Element ihrer Flexibilität entzogen. Sie verloren die Möglichkeit, Verfahren unter bestimmten Bedingungen einzustellen oder Auflagen und Weisungen zu erteilen, gemäß den §§ 153 und 153a der Strafprozessordnung. Zudem bot die gesetzliche Regelung keinen Spielraum für die Berücksichtigung minder schwerer Fälle. Dadurch zeichnete sich seit der Reform ein paradoxes Bild ab, dass des Öfteren auch Akteure von dieser Vorschrift umfasst sind, die aus präventiven Gründen handeln, um auf Risiken hinzuweisen oder Gefahren abzuwenden. Diese unflexible Handhabung steht in einem Spannungsverhältnis zum Prinzip der Verhältnismäßigkeit, das eine der Grundfesten rechtsstaatlicher Praxis darstellt.
Die Diskussion um die Notwendigkeit einer Reform des § 184b Absatz 1 StGB rückt daher zunehmend in den Fokus der öffentlichen und fachlichen Debatte. Es geht darum, ein Gleichgewicht zwischen dem unbedingten Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt und den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit zu finden. Die Herausforderung besteht darin, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die eine angemessene und differenzierte Reaktion auf das breite Spektrum von Handlungen ermöglicht, die unter den Tatbestand der Kinderpornographie fallen können. Dabei muss berücksichtigt werden, dass nicht jede Handlung, die formal unter diese Norm fällt, von einer Schädigungsabsicht oder pädokriminellen Motivation getragen ist.
Die Gesetzgebung steht somit vor der anspruchsvollen Aufgabe, die strafrechtlichen Bestimmungen so zu justieren, dass sie einerseits eine wirksame Abschreckung und Bestrafung von Tätern ermöglichen, die Kinderpornographie verbreiten oder besitzen, und andererseits sicherstellen, dass Personen, deren Handlungen keine pädokriminelle Absicht aufweisen oder die sogar im Sinne des Kinderschutzes agieren, nicht unverhältnismäßig hart bestraft werden. Diese Justierung erfordert eine sorgfältige Abwägung der unterschiedlichen Interessen und Schutzgüter und bildet die Grundlage für eine Reform, die den Schutz von Kindern effektiv gewährleistet, ohne dabei die Grundsätze der Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit zu vernachlässigen.
Die Revision des § 184b StGB, die am 1. Juli 2021 mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder eine fundamentale Neugestaltung erfuhr, steht nun im Lichte einer bedeutsamen Reform. Diese Neugestaltung, welche den Strafrahmen für bestimmte Tatvarianten erheblich ausweitete – von einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren auf ein Jahr bis zu zehn Jahren –, transformierte alle betreffenden Handlungen zu Verbrechen, womit eine Reihe von Konsequenzen für die Strafverfolgungspraxis einherging. Insbesondere die Abschaffung der Möglichkeit, Verfahren in gewissen Konstellationen einzustellen oder durch Auflagen zu erledigen, markierte eine signifikante Zäsur. Doch die Rückmeldung aus der Praxis offenbarte rasch, dass diese rigide Handhabung eine tat- und schuldangemessene Reaktion in vielen Fällen verhinderte, besonders wenn die beschuldigte Person nicht aus pädokrimineller Energie, sondern aus einem Bedürfnis heraus handelte, sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu unterbinden oder aufzuklären.
Diese Einsichten führten zur Erkenntnis, dass die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vor allem in jenen Fällen problematisch ist, in denen die beschuldigte Person offensichtlich nicht aus pädokrimineller Energie, sondern im Gegenteil, aus einem Impuls zur Prävention, handelte. Diese Problematik trat vor allem bei Eltern und Lehrkräften auf, die in ihrem Umfeld auf kinderpornographisches Material stießen und dieses, im Sinne der Aufklärung und Prävention, weiterleiteten.
Die geplante Reform, die eine Absenkung der Mindeststrafe in § 184b Absatz 1 StGB auf sechs Monate und in Absatz 3 auf drei Monate vorsieht, zielt darauf ab, den juristischen Werkzeugkasten so anzupassen, dass eine angemessene, individuelle Reaktion auf das breite Spektrum der Fälle wieder möglich wird. Diese Anpassung erlaubt es, die Strafverfolgungspraxis sowohl den Bedürfnissen des Kinderschutzes als auch den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden. Sie reflektiert ein tiefes Verständnis dafür, dass der effektive Schutz von Kindern eine differenzierte und flexible Handhabung erfordert, die den individuellen Umständen jedes Falls Rechnung trägt.
Durch die Beibehaltung der erhöhten Höchststrafen wird zudem sichergestellt, dass schwerwiegende Delikte weiterhin mit der gebotenen Strenge sanktioniert werden können. Gleichzeitig eröffnet die Reform den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, in Fällen am unteren Rand der Strafwürdigkeit mit der notwendigen Sensibilität und Flexibilität zu reagieren. Diese Neuausrichtung des § 184b StGB ist somit ein Bekenntnis zu einem Rechtsverständnis, das die Komplexität des Kinderschutzes erkennt und die Balance zwischen effektiver Strafverfolgung und der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit sucht.
In der Summe trägt die Reform durch die Feinjustierung des strafrechtlichen Rahmens nicht nur den konkreten Bedürfnissen der Praxis Rechnung, sondern leistet auch einen wesentlichen Beitrag zur Fortentwicklung einer Justiz, die sich durch Humanität, Gerechtigkeit und eine tiefe Verpflichtung zum Schutz der Verletzlichsten auszeichnet.
In der Essenz zielt die angestrebte Reform des § 184b StGB darauf ab, die Mindeststrafen für bestimmte Delikte im Bereich der Kinderpornographie zu reduzieren. Konkret beabsichtigt die Gesetzesanpassung, die Mindeststrafe im Absatz 1 von einem Jahr auf sechs Monate und im Absatz 3 von einem Jahr auf drei Monate zu senken. Diese Anpassung soll eine flexiblere und differenziertere Rechtsprechung ermöglichen, die den individuellen Umständen jedes Einzelfalls gerecht wird. Indem die Reform den Strafverfolgungsbehörden erlaubt, Verfahren in bestimmten Konstellationen einzustellen oder durch Auflagen zu erledigen, trägt sie den vielschichtigen Realitäten und den unterschiedlichen Intentionen hinter den Taten Rechnung. Zugleich wird durch die Beibehaltung der Höchststrafen sichergestellt, dass schwerwiegende Verstöße gegen § 184b StGB weiterhin mit der gebotenen Strenge geahndet werden können.
Die Reform des § 184b StGB ist in diesem Sinne ein begrüßenswerter Schritt, der auf eine ausgewogenere Justizpraxis abzielt. Sie reflektiert ein tiefes Verständnis dafür, dass eine wirksame Bekämpfung von Kinderpornographie nicht allein durch die Härte der Strafen erreicht wird, sondern durch eine nuancierte und gerechte Anwendung des Rechts. Indem sie die Möglichkeit für eine angemessene und individuell abgestimmte Strafzumessung eröffnet, leistet die Reform einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung eines Rechtssystems, das sowohl den Schutz der Schwächsten als auch die Prinzipien der Gerechtigkeit und Menschlichkeit in den Mittelpunkt stellt. Zusammengefasst wird durch die geplante Korrektur des § 184b StGB ein bedeutsamer Schritt unternommen, um den Schutz von Kindern effektiv zu gewährleisten, während gleichzeitig ein gerechter, proportionaler und menschenzentrierter Ansatz in der Strafverfolgung verfolgt wird.