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"Recht auf eigene Getränke in Fitness-Studios?" von Stefanie Samland
Stefanie Samland


Recht auf eigene Getränke in Fitness-Studios?


Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Oft verklagen Verbraucherverbände Unternehmen auf Unterlassung unwirksamer Klauseln. Mehrere Klauseln eines Fitness-Studio-Vertrages hat das Landgericht Stade1 in einem Urteil im Jahre 1998 untersucht und ihre Verwendung als rechtswidrig eingestuft. In diesem Zusammenhang taucht auch immer wieder die Frage auf, ob Fitness-Studios ihren Kunden verbieten können, eigene Getränke zu konsumieren.2 Nachdem im jurawelt-Forum in mehreren Threads die Frage nach der "Getränke-Klausel" aufgeworfen wurde, hat sich die jurawelt-Redaktion etwas genauer mit dieser Frage beschäftigt und u.a. das Urteil des LG Stade sowie ein aktuelles Urteil des Oberlandesgericht Brandenburg3 ausgewertet.

Die Klauseln

Die Klausel, mit denen sich das LG Stade und das OLG Brandenburg auseinandergesetzt haben, betrafen jeweils den Fall, dass der Fitness-Studio-Betreiber den Konsum eigener Getränke im gesamten Center verboten hat und die Kunden nur Getränke des Studio-Verkaufs trinken durften. Die AGB aus dem Urteil des LG Stade sahen vor: "Das Mitbringen von eigenen Getränken ist im gesamten Tennis- und Freizeitcenter untersagt.", die Klausel aus dem Urteil des OLG Brandenburg: "Der Verzehr von mitgebrachten (Speisen und) Getränken ist nicht gestattet.".

Mitunter nutzen Betreiber von Fitness-Studios auch modifizierte Klauseln und erlauben z.B. den Verzehr von eigenen Getränken nur in der Umkleide und nicht im Gerätebereich. Auch eine Aufnahme des Getränkeverbots in die Hausordnung wurde von einzelnen Studios vorgenommen.4

Wie entscheiden die Gerichte?

Da das LG Stade diverse Klauseln aus AGB zu untersuchen hatte, finden sich in den Entscheidungsgründen zu jeder Klausel nur kurze Ausführungen. Das Gericht stellt fest, dass das generelle Verbot eigener Getränke eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gemäß § 9 AGBG (heute: § 307 I, II BGB5) darstellt.

Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
    § 307 – Inhaltskontrolle

    (1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
    (2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
    1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder
    2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

Ohne näher auf den Normtext einzugehen, führt das LG Stade aus, dass es dem Kunden unzumutbar ist, "den erhöhten notwendigen Flüssigkeitsbedarf im Rahmen sportlicher Betätigung nur durch vom Verwender veräußerte Getränke stillen zu können.", denn diese seien üblicherweise erheblich teurer als mitgebrachte Getränke.

Auch das OLG Brandenburg entschied gegen die Wirksamkeit der "Getränke-Klausel" und verurteilte den Betreiber des betreffenden Fitness-Studios, die Verwendung der Klausel "Der Verzehr von mitgebrachten Getränken ist nicht gestattet." in Zukunft zu unterlassen. Jedoch differenziert das Gericht in seiner Argumentation den Sachverhalt deutlicher als das LG Stade. Das OLG Brandenburg führt aus, dass weder die Klausel selbst noch der Vertrag zwischen Fitness-Studio-Betreiber und Kunde Regelungen vorsehen, die den Betreiber dazu verpflichten, dem Kunden den Erwerb von Getränken zu angemessenen Preisen zu ermöglichen. Legt man die Klausel kundenfeindlich aus, müsse der Kunde also auch dann seine Getränke ausschließlich beim Studio-Betreiber kaufen, wenn dieser die Getränke zu überhöhten Preisen anbietet. Auch das OLG Brandenburg stellt in seiner Urteilsbegründung fest, dass "mit sportlicher Betätigung regelmäßig ein erhöhter und kurzfristig zu stillender Flüssigkeitsbedarf" einher geht. Somit sei der "Getränkekonsum unumgänglich", so dass die Kunden zwangsläufig ihre Getränke beim Betreiber erwerben müssten. Aus diesen Gründen entschied das OLG Brandenburg, dass die genannte Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Kunden beinhaltet und gemäß § 307 I BGB6 unwirksam ist.

Stellungnahme

Den Entscheidungen des LG Stade und des OLG Brandenburg, soweit sie das generelle Verbot mitgebrachter Getränke in Fitness-Studios betreffen, ist zuzustimmen. Diese Klauseln in AGB benachteiligen den Kunden, ohne dass ein schutzwürdiges Interesse der Betreiber zu erkennen wäre. Das OLG Brandenburg geht noch auf die Frage der Hygiene ein, stellt aber richtigerweise fest, dass auch die im Studio erworbenen Getränke, deren Verzehr erlaubt ist, versehentlich verschüttet werden können.

Nun ist auf die Frage einzugehen, wie die eingangs erwähnten modifizierten Klauseln oder ein Getränkeverbot in der Hausordnung rechtlich zu würdigen sind. Zieht man das Argument der Hygiene heran, so kann eine Klausel, die den Verzehr von eigenen Getränken nur in der Umkleide erlaubt, zulässig sein, wenn durch andere Maßnahmen Störungen des Geschäftsbetriebs nicht verhindert werden können. Lässt jedoch der gleiche Betreiber im Studio erworbene Getränke auch im Trainingsbereich zu, ist von der gleichen unangemessenen Benachteiligung des Kunden auszugehen wie beim räumlich uneingeschränkten Verbot eigener Getränke. Auch ist davon auszugehen, dass es den Trainingseffekt nicht unerheblich stört, wenn der Kunde laufend in die Umkleidekabine gehen muss, um etwas zu trinken, was ebenso eine Benachteiligung des Kunden darstellt. Etwas anderes kann für Glasflaschen gelten, wenn bei Zu-Bruch-Gehen der Flaschen Verletzungen zu befürchten sind. Selbst wenn der Betreiber seinen Kunden für einen Festpreis von 2,- € anbietet, bei einem Besuch so viel zu trinken, wie sie wollen,7 ist eine Klausel, die eigene Getränke verbietet, ebenfalls nicht wirksam, wenn nicht solche "Sonderangebote" vertraglich verbindlich sind.

Ist eine Verpflichtung zur Einhaltung der Hausordnung im Vertrag festgeschrieben, so gelten für die Hausordnung die gleichen Regeln wie für Allgemeine Geschäftsbedingungen.8 So ist also auch hier ein Verzehrverbot für eigene Getränke unwirksam, wenn die Hausordnung Vertragsbestandteil geworden ist. Bestimmungen in der Hausordnung können dann vom Studio-Betreiber geändert werden, wenn ihm dies im Vertrag vorbehalten worden ist. Ohne einen solchen Vorbehalt darf der Betreiber die Hausordnung nur ändern, wenn die Änderung zum ordnungsgemäßen Betrieb des Fitness-Studios zwingend erforderlich ist.9 Mit den Argumenten, die von den Gerichten gegen das Verbot eigener Getränke vorgebracht wurden, wird man eine zwingende Erforderlichkeit eines Getränkeverbots in der Hausordnung ebenfalls verneinen können.

Wurde die Hausordnung nicht in den Vertrag eingebunden, so können sich aus ihr auch keine vertraglichen Nebenpflichten ergeben. Grundsätzlich regelt eine Hausordnung nämlich nicht das Verhältnis von Vermieter und Mieter – für den Zeitraum der Studio-Nutzung mietet der Kunde die Geräte des Fitness-Studios –, sondern das Verhältnis und die Pflichten der Mieter untereinander.10 Daher muss der Kunde nicht mit Klauseln wie solchen über den Verzehr eigener Getränke in der Hausordnung rechnen, wenn nicht Hygiene-Gründe ein generelles Getränkeverbot erfordern würden. Durch die Aufnahme eines Verbots eigener Getränke in die Hausordnung kann ein Betreiber also die Unwirksamkeit von AGB auch nicht umgehen.




[1] Urteil vom 29. Oktober 1998, Az. 4 O 35/97, veröffentlicht bei jurawelt bzw. in der VuR 1999, 172.
[2] Zu rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Fitness-Studio-Verträgen siehe z.B. Verbraucher-Urteile, zusammengestellt von Rechtsanwalt Lars Kasulke, "Fitnessverträge - Viele Klauseln sind unwirksam!" von Kanzlei Prof. Schweizer, "Rutschgefahr - Ihr Recht im Fitness-Studio", "Vorsicht! Fußangeln in Fitness-Studio-Verträgen" von BerlinOnline, "Getränkeverbot im Studio nicht zulässig" von Claudia Schaefer sowie zu einem laufenden Rechtsstreit siehe die Seite von Félix Lefort.
[3] Urteil vom 25. Juni 2003, Az. 7 U 36/03, veröffentlicht bei jurawelt. Siehe z.B. auch die Meldung der Verbraucherzentrale Bayern vom 25. Juli 2003 und die Meldung der Verbraucherzentrale Brandenburg vom 21. August 2003.
[4] Die verschiedenen Klauseln wurden im jurawelt-Zivilrechtsforum diskutiert. Zu den einzelnen Threads kommt man z.B. durch Eingabe von "Fitness" und "Getränke" in der Forumssuche.
[5] Durch die Schuldrechtsreform wurde das AGB-Gesetz in das BGB integriert.
[6] Entspricht dem alten § 9 AGBG aus dem Urteil des LG Stade.
[7] So z.B. berichtet in einem Forenbeitrag bei jurawelt.
[8] Für den Bereich des Mietrechts Voelskow in: Münchener Kommentar BGB, 3. Auflage 1995, § 536 Rn 100.
[9] Voelskow in: Münchener Kommentar BGB, 3. Auflage 1995, § 536 Rn 100.
[10] Fritz in: Gewerberaummietrecht, 3. Auflage 2000, 11.13 Rn 163.

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