Arbeitsunfall: Welche Pausen sind wirklich versichert?

Eine kleine Pause während der Arbeit: Was kann da schon großartig geschehen? Die Erfahrung zeigt, dass mehr passieren kann, als viele denken. Unfälle in der Pause sind keine Seltenheit.

Dabei ist nicht immer klar, wer für die Kosten aufkommt oder ob überhaupt Versicherungsschutz besteht. Die rechtlichen Regeln sind komplex und hängen von unterschiedlichen Faktoren ab.

Dieser Beitrag erklärt, wann Pausenunfälle als Arbeitsunfälle gelten, welche Pausen versichert sind und worauf Beschäftigte sowie Arbeitgeber achten sollten.

Kolleg:innen im Pausenbereich bei einer Arbeitsbesprechung im Büro
Arbeitsbesprechung in der Pause Unfälle im Rahmen betrieblicher Besprechungen sind regelmäßig betrieblich veranlasst – Wege dorthin gelten als versichert.

Kurioser Fall: Arbeitsunfall beim Kaffeetrinken auf der Baustelle

Ein Arbeitsunfall beim Kaffeetrinken klingt zunächst ungewöhnlich, doch ein aktuelles Gerichtsurteil zeigt, dass es durchaus vorkommen kann. Ein Vorarbeiter auf einer Baustelle trank während einer Besprechung Kaffee, verschluckte sich und verließ hustend den Baucontainer. Draußen verlor er kurz das Bewusstsein, stürzte und brach sich dabei das Nasenbein.

Zwei Personen in der Kaffeepause auf einer Baustelle In der Regel nicht versichert
Kaffeepause: Essen & Trinken Eigenwirtschaftliche Handlungen wie Essen oder Trinken zählen zur privaten Lebensführung – Unfälle in der Kaffeepause sind daher in der Regel nicht versichert.

Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt bewertete diesen Fall als Arbeitsunfall. Entscheidend war, dass das Kaffeetrinken im Rahmen eines verpflichtenden Arbeitsmeetings stattfand und der Kaffee vom Arbeitgeber bereitgestellt wurde. Das Gericht sah darin eine Verbindung zur Arbeitstätigkeit.

Allerdings gilt dies nicht generell. Kaffeepausen ohne Bezug zur Arbeit, etwa im Homeoffice oder privat, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Wie sieht die rechtliche Situation in Deutschland also im Allgemeinen aus?

Gesetzliche Grundlagen zum Versicherungsschutz bei Pausen

Ein Arbeitsunfall ist nach dem Sozialgesetzbuch VII ein plötzliches Ereignis, das von außen auf den Körper einwirkt und zu einem Gesundheitsschaden führt. Damit ein Unfall als Arbeitsunfall gilt, muss er im direkten Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen.

Während der Pause unterscheidet die gesetzliche Unfallversicherung zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten. Tätigkeiten, die aus rein privatem Interesse erfolgen, sind nicht versichert. Das betrifft zum Beispiel Essen, Trinken oder Spaziergänge in der Pause.

Versichert sind hingegen Wege oder Handlungen, die der Erhaltung der Arbeitskraft dienen und im betrieblichen Interesse liegen. Zum Beispiel gelten Wege zur Kantine oder zum Getränkeautomaten als Teil der Arbeitstätigkeit und sind somit versichert.

Übersicht: Versicherungsschutz bei Pausenunfällen

Situation Versicherungsschutz Anmerkung
Unfall auf dem Weg zur Kantine Ja Betriebliche Tätigkeit
Unfall beim Essen oder Trinken Nein Eigenwirtschaftliche Handlung
Unfall beim Spaziergang in Pause Nein Privatvergnügen
Unfall auf Weg zur Raucherecke Nein Private Tätigkeit
Unfall im Rahmen von Arbeitsbesprechung Ja Betrieblich veranlasst

Hinweis: Die Tabelle basiert auf beispielhaften Urteilen und allgemeinen gesetzlichen Regelungen. Die rechtliche Bewertung einzelner Fälle kann im Einzelfall variieren.

100%

Versicherungsschutz

Bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten

0%

Versicherungsschutz

Bei rein privaten Tätigkeiten in der Pause

Wann sind Wege in der Pause versichert?

Der Versicherungsschutz in der Pause hängt von der sogenannten Handlungstendenz ab. Das bedeutet, es kommt darauf an, welchem Zweck der Weg dient.

Versicherte Wege

Jene, die dazu dienen, die Arbeitskraft zu erhalten, sind versichert. Zum Beispiel der Gang zur Kantine oder zum Getränkeautomaten, denn diese Wege gehören zur Arbeit.

Nicht versicherte Wege

Anders verhält es sich bei privaten Tätigkeiten. Spaziergänge, Rauchen oder Erledigungen wie ein Friseurbesuch fallen nicht unter den Versicherungsschutz. Wege, die also nur privat sind, sind nicht versichert.

Wichtig ist immer, ob die Handlung zur Arbeit gehört oder privat ist.

Besonderheiten im Homeoffice

Arbeiten von zu Hause bringt neue Regeln für den Versicherungsschutz mit sich. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2021 gilt der gesetzliche Unfallversicherungsschutz im Homeoffice (alternierende Telearbeit) fast genauso wie am Arbeitsplatz im Unternehmen. Das heißt, auch Wege innerhalb der Wohnung sind versichert, wenn sie mit der Arbeit zu tun haben. Zum Beispiel der Gang zur Küche oder zur Toilette.

Anders sieht es bei privaten Tätigkeiten aus. Ein Unfall beim Holen eines Getränks während der Arbeitszeit kann versichert sein, der Sturz beim Kaffeeholen in der Freizeit jedoch nicht. Auch der Weg zwischen Homeoffice und Kita ist seit der Gesetzesänderung versichert, wenn er mit der Arbeit zusammenhängt.

Abgrenzungsprobleme

Die genaue Abgrenzung ist nicht immer einfach. Da sich Berufliches und Privates räumlich oft stark vermischen, kommt es auf den Einzelfall an. Die Rechtsprechung versucht, den Versicherungsschutz entsprechend anzupassen, doch die Unsicherheit bleibt aktuell trotz der Anpassung des Gesetzes bestehen.

Dokumentation wichtig

Wichtig ist, dass Beschäftigte klar machen, wann sie arbeiten. Das Führen eines Arbeitszeitnachweises kann dabei helfen, denn so lässt sich im Zweifel besser belegen, wann gearbeitet wurde. Wer hingegen private Tätigkeiten mit der Arbeit vermischt, riskiert den Verlust des Versicherungsschutzes.

Arbeitsunfall in der Pause: So entscheiden Gerichte

Das Thema Versicherungsschutz bei Unfällen in der Pause wird immer wieder vor Gericht verhandelt. Einige Fälle zeigen deutlich, wie unterschiedlich Gerichte entscheiden können.

Fall 1: Unfall im Pausenbereich

Ein Monteur, der während seiner Pause im Pausenbereich von einem Gabelstapler angefahren wurde und schwere Verletzungen erlitt – ist er versichert? Die Berufsgenossenschaft wollte den Unfall zunächst nicht als Arbeitsunfall anerkennen, da die Pause als privat galt. Das Landessozialgericht Baden- Württemberg sah das jedoch anders (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2023, Az.: L 1 U 2032/22). Es entschied, dass wegen der spezifischen betrieblichen Gefahr durch den Gabelstapler auch Unfälle im Pausenbereich als Arbeitsunfälle gelten können.

Fall 2: Medikamente aus dem Auto holen

Was passiert, wenn eine Arbeitnehmerin während ihrer Pause vergessen hat, Medikamente aus dem Auto zu holen, und dabei sich infolge eines Sturzes verletzte? Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass dieser Unfall nicht versichert ist, weil die Medikamenteneinnahme nicht zwingend für die Arbeit erforderlich war und somit eine private Handlung darstellt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.09.2024, Az.: L 21 U 40/21).

Fall 3: Einkauf in der Mittagspause

Laut einem Urteil des Sozialgerichts München war ein Beschäftigter im Homeoffice nicht versichert, weil er auf dem Rückweg vom Einkauf seiner Mittagspause stürzte. Der Weg zur Metzgerei lag außerhalb des häuslichen Arbeitsbereichs und fiel daher nicht unter den Unfallversicherungsschutz.

Für die rechtlichen Ruhezeiten abseits der Pause verweisen wir auf unseren Beitrag zur Mittagsruhe – dort erklären wir u. a., welche Ruhezeiten gelten.

Schmerzensgeld nach Arbeitsunfall: Wann ist es möglich?

Ein Schmerzensgeld nach einem Arbeitsunfall gibt es nur, wenn der Arbeitgeber oder ein Kollege vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Bei einfacher Fahrlässigkeit greift der Haftungsausschluss der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 104 SGB VII.

Tipps für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Vermeidung von Pausenunfällen

Pausenunfälle bringen oft unklare Haftungsfragen und können für alle Beteiligten unangenehm werden. Eine klare Regelung und gute Kommunikation helfen dabei, die Risiken zu reduzieren. Arbeitgeber und Beschäftigte sollten gemeinsam daran arbeiten, zum einen Unfälle generell zu vermeiden und zum anderen im Falle des Falles zumindest den Versicherungsschutz sicherzustellen.

Diese Maßnahmen schaffen Sicherheit und vermeiden Streitigkeiten bei Unfällen in der Pause:
1

Klare Regelungen schaffen

Klare Pausenregelungen im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen festlegen.

2

Sichere Umgebung gestalten

Pausenbereiche sicher gestalten und Gefahrenquellen minimieren.

3

Dokumentation führen

Arbeitsabläufe und Pausenzeiten dokumentieren, um im Fall eines Unfalls Klarheit zu schaffen.

4

Sofortige Meldung fördern

Mitarbeiter ermutigen, bei Unfällen sofort Meldung zu machen.

5

Aufklärung betreiben

Aufklärung über den Unterschied zwischen versicherten und privaten Tätigkeiten während der Pause.

6

Informationen teilen

Beschäftigte über den Versicherungsschutz und die Bedeutung der Handlungstendenz informieren.

7

Homeoffice-Regeln kommunizieren

Homeoffice-Regeln zum Versicherungsschutz transparent kommunizieren.

Was bringt eine private Unfallversicherung bei Pausenunfällen?

Die gesetzliche Unfallversicherung schützt nur bei Unfällen, die klar mit der Arbeit zusammenhängen. Pausen- oder Freizeitunfälle sind dabei aber oft ausgeschlossen. Eine private Unfallversicherung kann diese Lücken schließen. Sie bietet Schutz bei Unfällen in der Freizeit, in Pausen und im Homeoffice.

Das Leistungsspektrum solcher Versicherungen variiert allerdings sehr stark. Manche Policen decken nur schwere Unfälle ab, andere bieten auch Leistungen bei leichten Verletzungen oder Tagegeld. Die Kosten liegen je nach Umfang und Anbieter meist zwischen 50 und 300 Euro jährlich. Für Beschäftigte lohnt es sich, Angebote zu vergleichen und den eigenen Bedarf zu prüfen.

Tipp: Private Unfallversicherung als Ergänzung

Arbeitgeber können eine private Unfallversicherung auch als freiwillige Leistung anbieten oder die Kosten ganz oder teilweise übernehmen. Gerade in Berufen mit höherem Unfallrisiko ist das eine sinnvolle Ergänzung zur gesetzlichen Absicherung.

Pausen schützen Menschen und stärken den Job

Pausen sind für Beschäftigte mehr als nur eine kurze Auszeit. Sie helfen, den Kopf frei zu bekommen, die Konzentration zu steigern und dadurch die Leistung zu verbessern. Auch für Arbeitgeber bringen erholte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Produktivität und weniger Fehler.

Doch wer in seiner Pause unsicher ist, was erlaubt ist und was nicht, kann sich kaum richtig erholen. Die Rechtssicherheit ist deshalb ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang. Arbeitnehmer sollten im Zweifelsfall immer nachfragen, welche Pausenregeln gelten. Arbeitgeber sind gefragt, ihre Teams proaktiv zu informieren und bei Unsicherheiten selbst rechtlichen Rat einzuholen.

So wird aus dem kurzen Päuschen eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Mitarbeiter entspannt im Pausenbereich mit Laptop In der Regel nicht versichert
Spaziergang & Entspannung Erholungsphasen während der Pause (z. B. kurzer Spaziergang oder Zurücklehnen am Arbeitsplatz) sind typischerweise privat – Unfälle hierbei fallen regelmäßig nicht unter den Versicherungsschutz.
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Jurawelt Redaktion

Christopher Molter

Studium:

  • Student der Rechtswissenschaften an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht
  • Schwerpunktbereich: Bank- und Kapitalmarktrecht
  • Auslandsaufenthalt an der University of Alberta (Kanada)

Jurawelt:

  • Redakteur & Studentischer Mitarbeiter
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